13. Januar 2019

BAAINBw

Die Beschaffung im ständigen Ausnahmezustand? – Die unabsehbaren Folgen selektiver Wahrnehmung

Empörungsjournalismus, Skandalisierungen, Stereotypen, Verallgemeinerungen: Die Bundeswehr ist scheinbar weit weg vom Normalzustand. Bundeswehr-Bashing gibt Aufmerksamkeit und Auflage, verdientes Lob für gute Leistung wird gerne marginalisiert.

Auch im vergangenen Jahr hat es die Bundeswehr hervorragend geschafft, für Schlagzeilen zu sorgen. Keine großartige Schlagzeile wert waren die im Koalitionsvertrag vereinbarten Zielsetzungen zur Beschaffungsorganisation, also überjährige Planungs- und Finanzierungssicherheit, Verbesserungen im Bereich des Vergaberechts und der Vergabeordnung sowie Untersuchung der Beschaffungsorganisation (BeschO) an ihren jeweiligen Standorten. Das klingt so wunderschön sedierend, ist aber tatsächlich alarmierend, wenn man genauer hinschaut. Hinschauen ist übrigens nicht so einfach, denn die Bereitschaft zu echter Transparenz ist nicht sehr ausgeprägt, wie der VBB im Auftrag seiner Mitglieder mehrfach feststellen musste. Schon am 6. April 2018 hat die Bundesministerin der Verteidigung einen transparenten und inklusiven Prozess im Intranet zugesagt. Was aber macht die Task Force BeschO? Sie informiert formal und abstrakt. Sie glaubt damit transparent zu sein. Nun, welcher konkrete Informationsgehalt liegt denn tatsächlich vor?

Erste allgemeine Verunsicherung

Anscheinend das übliche Vorgehen, wie man es leider schon kennt. Scheinbar alternativlose Fakten schaffen, fragwürdige Entscheidungen herbeiführen und dann die Betroffenen überrumpeln. „Was ist das für ein überholter Stil“, fragen sich die Beschäftigten, die es wahrlich besser verdient haben! Haben die Protagonisten der BeschO etwa Angst, die Mängel in Planung und Beschaffung und ihre Zielsetzungen substantiiert darzulegen? Wie schlecht ist denn die Beschaffung wirklich, was ist der Maßstab? Liegt es womöglich an einer dauerhaft unrealistischen Planung, oder an einer massiven Fehleinschätzung der Rahmenbedingungen, die dauerhaft zu überzogenen Erwartungen führt?

Im Brennpunkt liegt das BAAINBw, eine mächtige Behörde, die im Rahmen von Recht und Gesetz dafür sorgen soll, dass die Bundeswehr materiell ausgerüstet wird. Manche behaupten, das wäre nur ein erwünschter Nebeneffekt gewesen, denn in Wahrheit ginge es darum, die deutsche Verteidigungswirtschaft zu subventionieren, Arbeitsplätze, also Wählerstimmen zu sichern und Strukturförderung zu betreiben.

Oder geht es nur darum, die „Macht am Rhein“, die „Drachenburg“, wie der Spiegel das BWB (heute BAAINBw) bezeichnete, durch neoliberale Attacken endlich zu schleifen? Koste es, was es wolle? Sollen nur dem Staat verpflichtete Beamte, die in originär hoheitlichen Kernfunktionen des Staates arbeiten, praktisch außer Dienst gestellt werden? Damit ist kein Staat zu machen!

Zudem bindet der Ärger um externe Beratungsleistungen doch schon genug Ressourcen, die für die Beschaffung fehlen. Um die Berater wird sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kümmern, deshalb wenden wir uns an dieser Stelle einer Task Force und manchen Experten zu.

Alte Rezepte, viele Köche, verdorbener Brei?

Damit wir uns richtig verstehen: Die Bundeswehr und die Bundeswehrverwaltung müssen unbedingt kontinuierlich weiterentwickelt werden, damit auf Augenhöhe mit der gewerblichen Wirtschaft agiert werden kann. Dafür setzt sich der VBB schon immer ein, gerade weil es um die Kolleginnen und Kollegen in der Bundeswehr geht. Es schadet dabei nie, die Erfahrungen und Kenntnisse anderer Menschen zu nutzen. Externe Berater sind manchmal wie das Salz in der Suppe. Ohne Salz schmeckt es fad, ist es aber zu viel, wird es für den feinen Gaumen ungenießbar. Leider allzu oft müssen die Beschäftigten die versalzene Suppe auslöffeln, die ihnen von einer misstrauischen, unsicheren Führung eingebrockt wurde. Es schmeckt den Beschäftigten deshalb überhaupt nicht, wenn sich einmal mehr viele Köche um den (Beschaffungs-)Brei kümmern, besonders Köche, die mit ihren bisherigen Rezepten gescheitert sind! Wer kennt sie noch, die ganzen Reformen und Kommissionen, selten zu Ende gedacht, nie zu Ende gebracht…

Untersuchung und Optimierung der Beschaffungs- und Nutzungsorganisation (BeschO)

Es ist schon erstaunlich, wenn eine Führung offensichtlich nicht der eigenen, ihr unterstellten Organisation traut. Wie wollte man sonst die Einrichtung einer Task Force BeschO erklären, die außerhalb der originär zuständigen Linienorganisation agiert. Vielleicht war aber diese Linienorganisation offensichtlich über Jahre nicht in der Lage, ihre Leistungen im politischen Berlin und anderswo darzustellen und sich gegen ungerechtfertigte Behauptungen zu wehren.

Zur Erinnerung: Mit der Neuausrichtung der Bundeswehr wurden Aufbau- und Ablauforganisation vollkommen neu aufgestellt. Alles wurde neu geregelt, alles wurde angeblich bestens durchdacht. Ein voller Erfolg konnte vermeldet werden. Dann kamen Sts Dr. Suder samt Vertrauten, die in einer Bestandsaufnahme feststellten, dass es bei genauerem Hinsehen doch nicht ganz so super war wie vorher gemeldet.

Für sich betrachtet ist das nicht schlimm, denn üblicherweise sind immer die Vorgänger schuld, wenn etwas nicht läuft. So lautet eine unumstößliche Managerregel, die man besser nicht hinterfragt.

Also ist die Führungsmannschaft Dr. Suder und Dr. Scherf vorbehaltlos gefolgt, hat eigene Meinungen und nützliche Erfahrungen zurückgestellt. Wer wollte schon gegen die Verheißungen von erfolgreichen McKinsey-Mitarbeitern argumentieren und in Ungnade fallen? Außerdem wurde ordentlich was bewegt, von Grund auf neue Veranstaltungen zur Motivation aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Planung wie Rüstung durchgeführt. Das hat sich die Bundeswehr ordentlich etwas kosten lassen, wie in den Leitmedien zu lesen war.

Trotz sehr ungünstiger äußerer Bedingungen haben die Kolleginnen und Kollegen ordentlich entwickelt, beschafft, gekauft und sich hohe Anerkennung im Deutschen Bundestag erarbeitet. Ungünstige Bedingungen deshalb, weil organisatorisch nachjustiert, also alte tragende Strukturen zerschlagen wurden, die Arbeitsverdichtung stark zunahm, die Stammdatenlage gruselig war, jede Menge unglaublich wichtiger Task Forces sowie Arbeitsgruppen neben dem normalen Geschäft zu bedienen waren. Dazu wurden die Beschäftigten mit Nebenaufgaben (z.B. durch BWI mit IT-Aufgaben, siehe BRH-Bericht) regelrecht „zugeballert“ und die Vorgesetzten fürsorglich auf Lehrgänge zu „Guter Führung“ abgeordnet. Kein Beispiel für gute Führungskultur war demnach das Verhalten des zivilen Vizepräsidenten BAAINBw, bei der Einführung der Software „AI-Vergabemanager“ nicht für ausreichende Schulungen zu sorgen, dafür aber ohne Not disziplinare Maßnahmen bei Fehlern anzudrohen. Da Vergabefehler unbedingt zu vermeiden sind, war Selbsthilfe gefragt, die erhebliche fachliche Ressourcen gebunden hat. Viele Vergabeteams hat dieses Verhalten maßlos enttäuscht, verärgert und in der Arbeit behindert. So etwas ist kein wertschätzender Umgang! Deshalb wollen nicht wenige Teams, dass dieses Verhalten transparent wird und daraus die notwendigen Schlüsse für die Zukunft gezogen werden. Das Zielbild Rüstung gilt schließlich für alle und die Loyalität der Beamtinnen und Beamten gegenüber dem Dienstherrn darf nicht beschädigt werden. Die Belegschaft will beschaffen, will Erfolge sehen und erwartet dazu die notwendige Unterstützung von oben.

Insofern besteht große Skepsis, wenn ausgerechnet der zuständige Vizepräsident einer Bundesoberbehörde, der eigentlich in einer zentralen Funktion für die Beschaffung agieren sollte, diese Verantwortung nicht mehr wahrnehmen will und in eine Task Force entschwindet. Unglaublich ist die Tatsache, dass dort erst eine umfassende Sachstandsanalyse erfolgen muss. Innerhalb der Zuständigkeit eines mächtigen Vizepräsidenten sollten doch genügend Führungsinformationen und Handlungsspielraum für konkrete Maßnahmen vorliegen, um den Auftrag auch zukünftig bestmöglich zu erfüllen. Das wäre Beschaffungsoptimierung vor Ort, aus der Praxis, für die Praxis. Die „Entwicklung eines Lösungsraums“ klingt dagegen abstrakt und nicht gerade verantwortungsvoll. Die Einen entwickeln, die Anderen sollen es umsetzen, das gab es nur all zu oft. Wer will sich mit dieser Ankündigungspolitik identifizieren?

Der Expertenrat – Experten auf welchem Gebiet?

Abgerundet wird das Ganze durch einen Expertenrat Beschaffungsorganisation mit Vertretern der Wirtschaft, Universitäten und verschiedener Beteiligungsgremien. Das lässt einen Neustart erwarten und liest sich erstmal gut, aber wie gut ist es tatsächlich?

An der Spitze des Expertenrates steht ein 73-Jähriger, den die Presse gerne als „Commerzbank-Urgestein“ bezeichnet. Es ist allgemein bekannt, dass man einem Banker immer vertrauen kann und dass der Bund im Rahmen der Bankenkrise 25% der Commerzbank-Aktien aufkaufen musste. Das könnte auch die Beziehung zur Bundeswehr erklären, denn ansonsten fehlt der unmittelbare Bezug und der erkennbare Mehrwert für die Beschaffung der Bundeswehr. Keinesfalls sollen damit seine langjährigen Erfahrungen und sein damaliges Wirken als Vorstandsvorsitzender sowie als Aufsichtsratsvorsitzender eines bedeutenden Unternehmens geringgeschätzt werden, aber inwieweit er Experte für die öffentliche Beschaffung ist und die interne Kultur kennt, erschließt sich nicht direkt. Zweifellos kann er hervorragend einschätzen, was es für große Organisationen bedeutet, wenn diese zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind und die Kundenfokussierung leidet. Vielleicht war auch nur keine interne Persönlichkeit zu finden, die ein derartiges Gremium führen kann und ausreichend Expertise für diese Zukunftsaufgabe mitbringt. Diese Schlussfolgerung zur Personalauswahl stimmt mehr als nachdenklich.

Dann haben wir noch einen Experten, der an der Universität der Bundeswehr in München Betriebswirtschaftslehre lehrt mit dem Schwerpunkt Beschaffung. In einem Interview vom 12. Dezember 2018 äußerte er sich im ZDF zu der Berater-Affäre und konstatiert öffentlichkeitswirksam, der Bundeswehr fehle eine klare Beschaffungsstrategie. Ist das die Meinung eines Professors oder ein belastbarer Befund? Wäre das wirklich ein faktenbasierter Befund, könnte man daraus ableiten, dass der zuständige Staatssekretär, der zuständige Abteilungsleiter Planung und der zuständige Abteilungsleiter Ausrüstung Milliarden Euro ausgeben ohne angemessene Strategie. Das kann doch nicht wahr sein! Seit Jahren sind einschlägige Professoren besonders im Einkauf der Bundeswehr am Kooperieren und bringen sich dort ein. Trotzdem gibt es keine Beschaffungsstrategie? Der vermeintliche Widerspruch löst sich auf, wenn man annimmt, dass der Wissenschaftler werbewirksam Drittmittel und Forschungsarbeiten für seinen Lehrstuhl aquirieren wollte. Viele fragen sich, ob es wirklich klug ist, seinen Auftraggeber und die Menschen dort derart bloß zu stellen!

Es gibt natürlich weitere interessante Expertinnen und Experten, die den Horizont der BeschO erweitern, auf die wir jetzt jedoch nicht eingehen, um den Rahmen nicht zu sprengen. Es bleibt die Frage offen, nach welchen objektiven Kriterien die Mitglieder ausgewählt wurden. Bei so viel geballtem externen Sachverstand waren praxiserfahrene Insider nicht gefragt. Erst nach Intervention des VBB (!) konnten Mitglieder der Personalvertretung des BAAINBw an den Sitzungen teilnehmen. Und was berichten die? Nichts, denn sie wurden zum Schweigen verpflichtet! Bitte nicht aufregen, das dient nur zum Schutz der Betroffenen, die sich sonst unnötig aufregen würden, würden sie erfahren, was wie ein Pfeil auf sie zukommt. Zur Entspannung können die Personalvertreter ein Lied singen, beispielweise „Die Gedanken sind frei…“, das im Obrigkeitsstaat entstanden ist.

Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem!

Innerhalb der Linienorganisation sind die Schwächen wie die Stärken der Organisation wohl bekannt. Allerdings greifen die Bürokratie und der Formalismus immer mehr um sich, denn viele haben Angst, Fehler zu machen, wie schon vor einiger Zeit in der Presse zu lesen war. Es liegt wohl eher an der schlechten Kultur in Planung und Beschaffung, an einer Kultur der Verunsicherung und der Geringschätzung, die mit der BeschO weiter voranschreitet. Der absehbare Vorschlag nach einer Umwandlung des Amtes in beispielsweise eine Anstalt öffentlichen Rechts kommt dann einer Bankrotterklärung gegenüber Beschäftigten gleich. Gleichzeitig ist dieser Vorschlag wie eine Kriegserklärung gegenüber der militärischen Führung, die Material dringend benötigt und keine irgendwie geartete Anstalt, die erst mal mit sich selbst beschäftigt ist.

Vergiftete Köder schmecken gut, sind aber schwer verdaulich

Selbstverständlich wird der Rückzug des Staates aus diesen hoheitlichen Aufgaben garniert mit Versprechungen, Belohnungen und wahnsinnigen Potenzialen, die zu heben sind. Informieren Sie sich, wie dies bei Post, Bahn, Arbeitsverwaltung etc. ablief, damit Sie sich der Euphorie anschließen können. Ach, das war gar nicht so toll? Und wem hat es genutzt? Lassen sie sich nicht mit diesen Ködern fangen, man will damit Zustimmung kaufen. Beamtinnen und Beamte sind aber nicht käuflich.

Vor allem sollten sie die internen Möglichkeiten nutzen und konstruktiv kritisch ihre Vorgesetzten fragen. Folgen sie dem Zielbild Rüstung, wie es von Ihnen gefordert wird. Verlangen sie verständliche Transparenz und Fakten. Lassen sie sich nicht mehr mit wohlklingenden, aber hohlen Phrasen abspeisen, das haben sie wirklich nicht verdient. Was ist im Ausgangszustand schlecht, was ist das Ziel und warum ist der Zielzustand besser?