07. Mai 2018

EinkaufBw: Heute die, morgen Sie?

Kürzlich wurde an gleicher Stelle unter der Fragestellung „Vom Musterschüler zum Problemkind?“ über die Entwicklungen zum Einkauf der Bundeswehr berichtet und diese kommentiert, übrigens mit erstaunlich breiter Resonanz. Wirklich überraschen kann das nicht.

Vordergründig mag da nur der EinkaufBw stehen, der eine überschaubare Zahl an Menschen direkt betrifft. Allem Anschein nach versteckt sich dahinter eine Vorgehensweise, die vielen Bundeswehrangehörigen als Blaupause bekannt vorkommt und die viele Menschen insgeheim fürchten. Selbstverständlich ist Furcht ein schlechter Ratgeber. Die verantwortlichen Protagonisten schützen deshalb die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürsorglich und uneigennützig vor allzu viel Transparenz, denn niemand soll sich sorgen, nichts ist entschieden. Wie nett!

Was war nochmal strategischer Einkauf?

Strategischer Einkauf bedeutet in der Regel der Verzicht auf traditionelle Lagerhaltung und die Minimierung des Verwaltungsaufwands. Die logistische Versorgung erfolgt nach Abruf über Direktbelieferungskonzepte bis vor die Haustür bzw. das Kasernentor im Inland. Wenige Bündelungsrahmenverträge mit klugen Warensortimenten ersetzen viele kleinteilige Einzelverträge, wobei die Lagerhaltung weitgehend beim Auftragnehmer erfolgt. Bei vielen handelsüblichen Gütern, deren technische Eigenschaften allerdings passend sein müssen, ist dieses Konzept ökonomisch nahezu unschlagbar und hat sich in der gewerblichen Wirtschaft durchgesetzt. Dafür müssen jedoch die Voraussetzungen stimmen, wenn es tatsächlich funktionieren soll. Die Fachliteratur nennt als Voraussetzungen die interne Standarisierung der Artikel, eine breite Marktverfügbarkeit der benötigten Artikel, festgelegte Bestellwege, ein funktionierendes Warenwirtschaftssystem und qualitätssichernde Maßnahmen. Für alle anderen Bedarfe, spezielle Nischenmärkte, eindeutig militärische Güter oder bei sonstigen einschränkenden Bedingungen muss auf andere Lösungen zurückgegriffen werden. Schnell einkaufen und viel sparen, das klingt gut! Wer wollte das nicht?

Zeitgenössische Künste: The Art of Performance

Allgemein haftet dem Einkauf immer noch eine gewisse Profanität, Banalität, Alltäglichkeit an. Eine fatale Fehleinschätzung! Nur allzu leicht verdeckt eine Vorstellung von Discountern oder Onlineshops den ungetrübten Blick auf dynamische Wertschöpfungsketten. Informationsflüsse, Warenströme und Finanztransaktionen sind virtuos aufeinander abzustimmen; vielfältige Rahmenbedingungen sind kunstvoll zu schaffen, damit das Meisterwerk seine beabsichtigte Wirkung entfalten kann.
Die handwerkliche Kunst liegt darin, qualitativ bedarfsgerechte Sortimente zu bilden und die Produkte technisch-funktional zu beschreiben.
Hohe administrative Kunst ist gefordert, wenn der öffentliche Auftraggeber wirtschaftliche Liefermengen sicher und schnell unter Vertrag nehmen will.
Es obliegt der logistischen Kunst, die Sortimente für die vielen Bedarfsträger einfach nutzbar zu machen: Bedarfsdeckend, zuverlässig, wirtschaftlich.
Die strategische Kunst zeigt sich darin, die Grenzen eines derartigen Konzeptes in der Übertragung auf die Bundeswehr zu erkennen und zu respektieren.
Die schwierigste Kunst von allen ist die intellektuelle Kunst, denn sie zeigt sich nur dann, wenn das notwendige Denken nicht an Berater outgesourct wird.
Im vorliegenden Fall kommt die Kunst zu kurz!

Dogmatische Modellbildungen auf PowerPoint-Folien liegen in der einen Waagschale, pragmatische Fähigkeiten zur verantwortungsvollen Realisierung liegen in der anderen Waagschale. Offenbar fehlt die sprichwörtliche Ausgewogenheit, wie die Ereignisse zeigen.

Der Blick in den Abgrund

Die Strategie des strategischen Einkaufs der Bundeswehr ist offensichtlich gescheitert, die Nerven liegen bei einigen Beteiligten blank. Diesen erschütternden Eindruck bekamen viele Kolleginnen und Kollegen nach dem Bekanntwerden einer ministeriellen Entscheidungsvorlage im Entwurfsstadium. Zu schnell und zu schmutzig sollten nach jahrelanger „Optimierung“ unumkehrbare Fakten geschaffen werden, ausgerechnet in der Zeit der Neubesetzung des Dienstpostens „Rüstungsstaatsekretär m/w“.

Konträr zur von der Bundesministerin geforderten Vertrauenskultur, konträr zur Kultur eines Zielbildes Rüstung, konträr zur Lehre der Führungsakademie von guter Führung, konträr zu den Beteiligungsrechten!

Geradezu wütend macht einige Betroffene die Einschätzung der ministeriellen Vorlagenschreiber, dass sich das Personal angeblich nicht ausreichend mit der Aufgabe identifiziert, über nur unzureichende Einkaufsexpertise verfügt und das System- und Produktverständnis fehlt.

Was ist denn das für ein Verständnis von Führung und Verantwortung, wenn Entscheider zusammen mit teuren Beratern gravierende Fehlentwicklungen beschlossen haben, wenn dieser Personenkreis mittels abgehobener Konzeptionen anscheinend die Bodenhaftung zum fundamentalen Auftrag verloren hat, wenn dieser Personenkreis die ohnehin dünne Personaldecke für konzeptionelle Nebenarbeiten überdehnt hat und nun den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Schuld in die Schuhe schiebt?

Pikant ist dabei, dass das nahezu gleiche Personal für einen bemerkenswert guten Haushaltsmittelabfluss in den letzten Jahren gesorgt hat.

Es gibt Stimmen der Arbeitsebene, die beklagen, was seit Jahren gemacht wird: Konzeptionelles Hin und Her in Optimierungsprojekten, im Großen denken und sich im Kleinen verlieren, permanent organisatorisch nachjustieren, zu viel Aufwand in Meetings investieren und dabei die unmittelbare Einkaufstätigkeit vernachlässigen. Außerdem würden Erfolge marginalisiert und das Personal weiter demoralisiert, indem wiederholt Analysen gefahren und passende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen aufwändig erarbeitet werden. Die Kernaufgabe komme zu kurz und es bestünde die Gefahr, dass schlechtem Geld gutes Geld hinterhergeworfen wird. Zuversicht und Vertrauen definieren sich anders!

Die Absicht der übergeordneten Führung

Unsere Bundesministerin der Verteidigung kämpft um mehr Geld für die Bundeswehr, um ganz erheblich mehr Geld für neue Ausrüstung. Sie handelt damit in großer Übereinstimmung mit dem Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages. Spätestens jetzt muss doch klar sein, dass in jeglicher Hinsicht praxisnahe Vorsorge zu treffen ist, um diese lang ersehnten Steuergelder zeitnah in Ausrüstung verwandeln zu können. Ansonsten ist der nächste öffentlichkeitswirksame Aufreger über die Bundeswehr vorprogrammiert. Ernsthaft kann doch niemand glauben, dass eine Bundesministerin der Verteidigung, ein neuer Staatssekretär oder eine neue Präsidentin BAAINBw einen problematischen „EinkaufBw“ oder problematischen „Alternativ Ausgestalteten EinkaufBw“ einfach so hinnehmen wird! Ein „Weiter so!“ ist kaum vorstellbar, aber eine bodenständige, leistungsfähige Zukunft ist machbar.

Eingefahrene Denkmuster überwinden

Aus gutem Grund führt das BAAINBw die Begriffe Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung mit berechtigtem Stolz im Namen. Beratungsobjekt, konzeptionelle Spielwiese und Aktionismus finden sich nicht in der offiziellen Bezeichnung. In der Vergangenheit haben verordnetes Umorganisieren und ständige Mangelverwaltung den Einkauf gestresst, aber haben sie ihn wirklich verbessert? Und wem hat die Beratung genutzt?

Die Trendwende Denkmuster ist gefragt!

Der Prophet im eigenen Lande ist wieder anzuhören, Beraterhörigkeit und Dogmatismus sind zurückzudrängen. Zeichen von Entschlossenheit und Selbstvertrauen sind zu setzen, denn es gibt kein Erkenntnisproblem, wenn überhaupt gibt es ein Umsetzungsproblem! Eingeredeter Pessimismus ist überhaupt nicht angebracht, wenn das Haus seine Stärken kunstvoll entfalten darf.

Sollte beispielsweise die waffensystemrelevante Ersatzteilversorgung nahe beim jeweiligen Produktmanagement Nutzung ausgebracht werden, also eine Bündelung über das Waffensystem erfolgen, dann ist eben jeweils dort eine handlungsfähige Struktur umgehend zu etablieren. Wenn dabei die Sorgen und Erfahrungen des betroffenen Personals ernsthaft berücksichtigt werden, breite Unterstützung statt tiefer Bedenken im Vordergrund stehen, könnte in kurzer Zeit viel erreicht werden. „Offenheit schafft Transparenz“, sagt hierzu das Zielbild Rüstung. In aller Offenheit muss aber auch gesagt werden, dass überhastete Aktionen des BMVg das Vertrauen in eine sachkundige und verantwortungsvolle Führung erschüttern können. Gerade dann, wenn sogenannte Experten die Kernidee eines strategischen Einkaufs seit Jahren überdehnen, eigene Möglichkeiten dauerhaft überschätzen und unrealistische Lösungen propagieren. Dadurch tritt der EinkaufBw auf der Stelle. Das haben die Kolleginnen und Kollegen nicht verdient. Fortschritt wird nur erreicht, wenn der Einkauf einkauft, nicht wenn alte Strategien auf neuen Folien wiederverwendet werden und permanentes Umorganisieren die heilige Kuh bleibt.

Und was geht das den VBB an? Ganz einfach, nicht nur wenn Gefahr droht, dass Beschäftigte verallgemeinernd herabgesetzt oder herumgeschoben werden, ist Solidarität und Respekt gefordert. Salopp gesagt: Der VBB will, dass der Laden anständig läuft! Und der VBB will, dass anständig mit den Leuten umgegangen wird! Davon profitieren alle, die Einkäufer, die Bedarfsträger, die übergeordnete Führung. Schnell einkaufen und viel sparen, das klingt gut!