14. August 2020
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Verfassungswidrige Richterbesoldung in Berlin: Entscheidung mit bundesweiter Signalwirkung

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) begrüßt den am 28. Juli 2020 von Bundesverfassungsgericht veröffentlichten Beschluss zur Richterbesoldung. Demnach haben Richterinnen und Richter bestimmter Besoldungsgruppen im Bundesland Berlin von 2009 bis 2015 zu geringe Bezüge erhalten.

Dies ist dem Artikel „Verfassungswidrige Richterbesoldung in Berlin: Entscheidung mit bundesweiter Signalwirkung“ zu entnehmen, zu finden auf der website www.dbb.de.

  

Was hat das Urteil zur Richterbesoldung in Berlin mit den Bundesbeamten zu tun?

Aus regelmäßigen statistischen Erhebungen geht hervor, dass einige Bundesländer hinsichtlich der Beamtenbesoldung vom Bundesniveau erheblich nach unten abweichen. Die jahrzehntealte, komplexe Kontroverse, wann denn die Alimentation amtsangemessen ist, war zu entscheiden. Schon vor fünf Jahren hat das Bundesverfassungsgericht den Besoldungsgesetzgebern verbindliche Kriterien zur Ermittlung amtsangemessener Bezüge vorgegeben. Diesen Pflichten ist das Land Berlin nicht nachgekommen, was zur Klage betroffener Richter führte. Mit dem nun vorliegenden Urteil wurden die anzulegenden Kriterien höchstrichterlich weiter präzisiert.

Was also für die Richter in Berlin gilt, muss sinngemäß für alle Beamtinnen und Beamten gelten. Interessant und von weitreichender Bedeutung für das gesamte Berufsbeamtentum sind die Erwägungen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, die der Homepage des BVerfG im Original www.bverfg.de/e/ls20200504_2bvl000418.html oder als Pressemitteilung zu entnehmen sind.

Jetzt müssen die Besoldungsgesetzgeber verfassungskonforme Regelungen finden. Gemeinsam mit dem Deutschen Beamtenbund (dbb) als dem maßgeblichen und einflussreichen Dachverband wird der VBB die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen, selbstverständlich im Schulterschluss mit den befreundeten Bundesbeamtenverbänden.

Ergänzend wird von unserer Seite darauf hingewiesen, dass die Bundesbesoldung statistisch regelmäßig im oberen Viertel des Bund-Länder-Vergleichs liegt.

Die sieben wesentlichen Punkte im Original

Nachstehend direkt die Leitsätze zum Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -

1. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zählt das Alimentationsprinzip. Es verpflichtet den Dienstherrn, Richtern und Staatsanwälten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen hergestellt.

2. Diese Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot.

3. Der Besoldungsgesetzgeber verfügt über einen weiten Entscheidungsspielraum. Dem entspricht eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle. Ob die Bezüge evident unzureichend sind, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden.

4. Diese Gesamtschau vollzieht sich in zwei Schritten: Auf der ersten Prüfungsstufe wird mit Hilfe von fünf in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip angelegten Parametern ein Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt (Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder).

5. Beim systeminternen Besoldungsvergleich ist neben der Veränderung der Abstände zu anderen Besoldungsgruppen in den Blick zu nehmen, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten ist. Ein Verstoß gegen dieses Mindestabstandsgebot betrifft insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Die indizielle Bedeutung für die verfassungswidrige Ausgestaltung der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe ist dabei umso größer, je näher diese an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt und je deutlicher der Verstoß ausfällt.

6. Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit den weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen. Werden mindestens drei Parameter der ersten Prüfungsstufe erfüllt, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation, die im Rahmen der Gesamtabwägung sowohl widerlegt als auch erhärtet werden kann. Werden umgekehrt bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten, wird eine angemessene Alimentation vermutet. Sind ein oder zwei Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden.

7. Ergibt die Gesamtschau, dass die zur Prüfung gestellte Besoldung grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es auf der dritten Stufe der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann.

 

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvL 4/18 -