05. Juli 2017

Zivilpersonal im Ministerium und der Bundeswehr

Gisela Manderla, Abgeordnete des Deutschen Bundestages der CDU/CSU Fraktion im Gespräch mit dem VBB

Frau Abgeordnete, als Mitglied des Verteidigungsausschusses und Berichterstatterin der CDU/CSU-Fraktion für das Zivilpersonal im Verteidigungsausschuss sind Sie für uns eine wichtige Ansprechpartnerin. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich kurz persönlich vorstellen.

Gisela Manderla, Dienstgrad: MdB, 59 Jahre, verheiratet, drei erwachsene Kinder. Ich bin 2013 für den Kölner Nordwesten in den Deutschen Bundestag eingezogen. Zuvor war ich 13 Jahre in der Kommunalpolitik meiner Kölner Heimat tätig, vor allem als Vorsitzende des Schulausschusses im Rat der Stadt Köln. Gemeinsam mit meinem Mann betreibe ich in Köln zudem ein Ingenieurbüro.

 

Auf europäischer Ebene führt und koordiniert Frau Mogherini die Politikbereiche Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik von aus einer Hand. Unterstellt sind ihr neben den Beamten des Europäischen Auswärtigen Dienstes seit Kurzem ein Rüstungsfond und ein „Einsatzführungskommando“. Unterstützt wird sie aus Deutschland durch das AA, das BMZ und das BMVg. Wenn wir mehr gemeinsam analysieren und agieren müssen, welche Auswirkungen sehen Sie für die Arbeit im Bundestag und in der Bundesregierung?  

Ich halte diese Entwicklungsschritte zunächst einmal für notwendig und geboten. Die globale Sicherheitsarchitektur ist in Bewegung geraten, darauf muss Europa glaubhaft reagieren und seine Anstrengungen in der gemeinsamen europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik erhöhen. Ziel muss es sein, Synergien zu schaffen und Fähigkeiten zu bündeln, um insgesamt handlungsfähiger zu werden und kosteneffizienter zu wirtschaften. Wenn uns das in Ergänzung zu den NATO-Strukturen gelingt, sind diese Schritte zu begrüßen. Trotzdem berührt diese Entwicklung den Kern souveräner Staatlichkeit, deshalb bleiben die Nationalstaaten – und damit die nationalen Regierungen und Parlamente – weiterhin von großer Bedeutung.     

 

Im öffentlichen Dienst fehlen rd. 200.000 Beschäftigte – allein der Bundeswehr fehlen mindestens 3.000 Beamte – wie soll hier eine Trendwende erfolgen?

Das stimmt, wir haben einen anhaltend negativen Trend in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes, vor allem bei spezialisiertem Fachpersonal. Davon ist auch die Bundeswehr betroffen, die sich als Arbeitgeber in einer besonderen Konkurrenzsituation mit der freien Wirtschaft befindet. Hier sind die von der Bundesministerin initiierte Agenda Attraktivität, die Arbeitgebermarke Bw sowie die Trendwende Personal richtige und wichtige Bausteine, um den Personalkörper der Bundeswehr zukunftsfest fortzuentwickeln. Diese Impulse brauchen aber Zeit um zu greifen, da müssen wir – in allen Bereichen – entschlossen am Ball bleiben.  

Das absehbare „Delta“ beim Zivilpersonal der Bundeswehr hat das Bundesamt für Personalmanagement BAPersBw nach meiner Bewertung genau im Blick. Auch hier gehen wir neue Wege und versuchen beispielsweise, arriviertes und erfahrenes Personal länger zu binden bzw. aus dem militärischen Personalkörper für eine zivile Anschlussverwendung zu gewinnen.

 

Die „Flüchtlingskrise“ basierte im Wesentlichen auf einer viel zu geringen Personalausstattung beim BAMF. Statt 2.000 Mitarbeiter reichten selbst 9.000 nicht aus – Beamte der Bw mussten bei den Asylverfahren mithelfen. Die Organisationsanalyse des BMVg hat uns gerade gezeigt, dass der Personalumfang gemäß Stellenplan im Haushalt nicht auskömmlich ist. 983 Soldaten und 983 Beamten und Tarifbeschäftigten sind 2.400 bis 2.600 Mitarbeiter notwendig. Lassen sich bei den ständig wechselnden Arbeitsschwerpunkten aufgrund der sich ständig ändernden politischen Anforderungen Personalobergrenzen für sicherheitsrelevante Aufgaben rechtfertigen?

Zunächst einmal spreche ich lieber von „Flüchtlingsherausforderung“ als von „Krise“. Die Bundeswehrangehörigen haben im Rahmen der „Helfenden Hände“ einen grandiosen Job gemacht und gezeigt: auf die Bundeswehr ist immer Verlass. Inzwischen, fast zwei Jahre nach dem großen Flüchtlingsansturm, laufen die Verfahren in geregelten Bahnen. Auch der Bundestag hat, zuletzt mit dem Integrationsgesetz, die entsprechenden Rahmenbedingungen weiter verbessert und an nicht wenigen Stellen der Asylpolitik nachjustiert.

Was die Personalobergrenzen angeht, handelt es sich wohl eher um haushalterische und planerische Bezugsgrößen. Diese werden ja – was den Geschäftsbereich BMVg und die Bundeswehr betrifft – mit der Mittelfristigen Personalplanung MPP nunmehr regelmäßig überprüft und das halte ich auch für richtig. Wir müssen im Sinne eines „atmenden Personalkörpers“ flexibel bleiben, um die Sicherheitsvorsorge auch wirklich abbilden zu können.

 

Bei der „Flüchtlingskrise“ haben die Beamtinnen und Beamten der Bundeswehr hervorragende Arbeit geleistet - von der Bereitstellung der Infrastruktur bis hin zu Asylentscheidungen. In Afghanistan zählten Beamte, die dort als Soldaten ihren Dienst geleistet haben, zu den ersten Gefallenen der Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem profitieren die Beamtinnen und Beamten nicht von den Attraktivitätsmaßnahmen wie beispielsweise einer Personalbindungsprämie oder speziellen Zuschlägen, vielmehr nehmen sie eine „wichtige Nebenrolle“ wahr, so die Werbung für die zivile Karriere in der Bundeswehr -  wie stehen Sie dazu?

Ich halte es generell für falsch, bei gleicher Leistung und Entbehrung mit zweierlei Maß zu messen, weder beim Geld, noch bei der Versorgung. Sie wissen, dass wir ähnliche Probleme auch bei der Unterscheidung zwischen Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen hatten, das konnten wir mit Blick auf die zusätzlichen Verpflichtungen an der NATO-Ostflanke zum Glück kürzlich ändern. Ich bleibe dabei: es darf für keine Personengruppe Nachteile bei der Besoldung oder den Zulagen in Auslandseinsätzen geben.  

 

Die Beschäftigung von Soldatinnen/Soldaten ist grundsätzlich teurer als die von Beamtinnen/Beamte der identischen Besoldungsgruppe. Wozu leistet sich die Bundeswehr den Luxus, Soldaten im Inneren auf Beamtendienstposten zu beschäftigen, und kann sie sich dies angesichts der militärischen Herausforderungen und des demografischen Wandels auch künftig noch leisten?

Die Idee lautete, ein besseres Zusammenwirken ziv/mil im Gesamtpersonalkörper Bw zu ermöglichen und die Personalentwicklungsmöglichkeiten insgesamt zu flexibilisieren. Das Ziel, diese „Symbiose“ zwischen den Personalsträngen zu verbessern, halte ich auch grundsätzlich für richtig. Richtig ist aber auch, dass der Bedarf an Soldatinnen und Soldaten durch die sicherheitspolitische Dynamik in den letzten drei Jahren gewachsen ist. Auch der demografische Wandel richtet komplexe Fragen an die personelle Weiterentwicklung der Bundeswehr. Deshalb muss das Ziel, personelle Ressourcen möglichst optimal einzusetzen und nicht zu „vergeuden“, von gleichrangiger Bedeutung sein.

 

Die Personalgewinnung der Soldatinnen und Soldaten gestaltet sich zunehmend schwierig. Was halten Sie davon, bei der Bundeswehr gerade im Bereich Cyber und Informationstechnik eine Reserve aus Zivilbeschäftigten für Krisen- und Katastrophenfälle zu bilden, die dann verpflichtend in den Soldatenstatus wechselt?

Die Aufstellung des Kommando CIR war ein ganz wichtiger Schritt in das 21. Jahrhundert, in dem die Digitalisierung und virtuelle Vernetzung im Grunde ja mittlerweile jeden Lebensbereich in unserer modernen Zivilgesellschaft nachhaltig verändert. Natürlich sind hiervon auch Streitkräfte massiv betroffen, im Positiven wie Negativen – Stichwort Hybrid and Cyber Warfare. Deshalb sind mir persönlich zunächst einmal alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Resilienz und die Leistungsfähigkeit unserer Streitkräfte in diesem Bereich zu erhöhen, sehr willkommen und diskussionswürdig – auch die von Ihnen hier angesprochene Idee, den Personalbereich „Cyber“ auf diese Art zu verstärken.  

 

Immer mehr Dienstposten – gerade die mit Leitungsfunktion – im BMVg, aber auch im BAPersBw, BABAINBw, BAIUDBW werden von Soldatinnen und Soldaten ohne Ausschreibung nach den Grundsätzen der Artikel 33, 36 GG besetzt, obwohl die Aufgaben eindeutig in den Bereich des Art. 87 b GG fallen. Dies führt zunehmend zur Frustration bei qualifizierten Beamtinnen und Beamten und langfristig zur Aushöhlung des Art. 87 b GG. Wie wollen Sie dem Umstand begegnen?

Es war grundsätzlich beabsichtigt, die Durchlässigkeit und Flexibilität zwischen dem militärischen und zivilen Personalkörper zu erhöhen – nicht zuletzt auch mit Blick auf die Vermeidung unnötig aufgeblähter Strukturen. Dieser nach meinem Empfinden zunächst richtige Ansatz darf aber keine Einbahnstraße sein, hier muss bei der von Ihnen skizzierten Tendenz Maß und Mitte gewahrt bleiben. Ich halte es daher für angezeigt, das genau im Blick zu behalten und die tatsächlichen Entwicklungen mit den beabsichtigten Zielvorstellungen in Einklang zu bringen – möglicherweise auch im Rahmen sinnhafter Nachjustierungen.

 

Im BMVg und der Bw leisten rund 30.000 Beamtinnen und Beamte ihren Dienst. Aufgrund der Absprache zwischen dem Deutschen Beamtenbund und der Bundesminister des Innern und der Finanzen wurde eine wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden und nicht wie bei Arbeitnehmern die 39 Stunden-Woche vereinbart. Diese Absprache lief am 31. Dezember 2014 aus. Welche Chancen sehen Sie, dass hier absehbar bei gleicher Lebensarbeitszeit, die Wochenarbeitszeit angeglichen wird?

Nun, es wird eine wesentliche Aufgabe der nächsten Legislatur sein, sich dieser Frage anzunehmen. Mit Prognosen halte ich mich zum jetzigen Zeitpunkt besser zurück. Ich halte es aber für dringend geboten, diese Frage zweifelsfrei und belastbar zu klären – und das nach Möglichkeit so zügig es geht.

 

Wie in der Privatwirtschaft üblich soll als erstes Ressort das BMVg einen Compliance-Codex erhalten. Bei der Korruptionsprävention setzen die Dienstrechtsgesetze und Tarifverträge des öffentlichen Dienstes klare Grenzen - hier ist der Öffentliche Dienst der Wirtschaft weit voraus. Compliance ist aber wesentlich mehr als Korruptionsprävention – ein „regelkonformes Verhalten“ setzt auf einen Wertekanon, angefangen von der Leitung des BMVg über alle Angehörigen der Bundeswehr bis hin zu externen Vertragspartnern. Welche Werte und Anforderungen stellen Sie an einen Vertragspartner der Bundeswehr?

Die gleichen Anforderungen wie sonst auch. Ich verstehe das Ansinnen, das Thema Compliance nach den vereinzelten Problemen bei der Beschaffung nochmal transparent zusammenbinden zu wollen, durchaus. Dabei darf aber nicht der Eindruck entstehen, den „compliance-relevanten“ Personalkörper vorzuverurteilen oder unter eine Art Generalverdacht zu stellen. Ich habe die Hoffnung, dass das in der letztlichen Endfassung auch nicht der Fall sein wird.    

 

Das Berlin-Bonn-Gesetz spielt bei Organisationsentscheidungen kaum noch eine Rolle. Warum verzichten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf ihr Gestaltungsrecht beispielsweise beim Haushaltsgesetz, durch die Festlegung der Dienstposten und Stellen der Ministerien nach Dienstorten, konkretisiert durch einen entsprechenden Haushaltsvermerk oder durch Kw-Vermerke?

Von derartigen starren Vorgaben halte ich wenig. Wir müssen, gerade mit Blick auf die zahlreichen neuen und alten Aufgaben und Herausforderungen, denen sich die Bundeswehr gegenübersieht, flexibel bleiben. Das gilt auch für die Dienstpostenausbringung an den verschiedenen Standorten der Bw.

Wissen Sie, ich komme durch meine Tätigkeit sehr oft mit Soldatinnen und Soldaten wie Zivilbeschäftigten ins Gespräch und nehme jeweils sehr unterschiedliche und individuelle Präferenzen bei der Lebens- und Karriereplanung wahr. Daher würde ich von pauschalen und starren Vorfestlegungen immer eher abraten.

 

Der Wohnraum in Ballungszentren, wie Berlin, München, Frankfurt, Köln wird immer teurer und ist für Beamtinnen und Beamte des einfachen und mittleren Dienstes teilweise schon jetzt nicht mehr bezahlbar. Wie wird sichergestellt, dass auch zukünftig günstiger Wohnraum für die Beschäftigten des Bundes in den Ballungszentren vorgehalten wird?

Die Frage lässt sich nicht ohne weiteres pauschal beantworten, denn die lokalen Bedingungen in den jeweiligen Kommunen und Städten unterscheiden sich in Teilen erheblich.

Es ist aber richtig, dass wir den Wohnungsbau in Deutschland insgesamt dringend vorwärts bringen müssen, hier werden wir als Gesetzgeber künftig noch stärker gefordert sein. Gegenwärtig diskutieren wir gerade eine Reihe von Maßnahmen und Initiativen, wie etwa eine Reaktivierung des Familienbaugeldes. Die künftige Koalition muss diesem Thema übergeordnete Aufmerksamkeit widmen, egal in welcher Konstellation.

 

Die Bundeswehr will als Arbeitgeber attraktiver werden. Was halten Sie davon,  moderne Wege einzuschlagen, von Angeboten zum mobilen Arbeiten und der  Vertrauensarbeitszeit, wie aktuell im BMVg, bis hin zu Dienstwagenregelungen und Gehaltsstrukturen für außertarifliche Arbeitnehmer, wie in der Privatwirtschaft üblich?

Davon halte ich eine Menge, vorausgesetzt, sie lassen sich mit der Aufgabenwahrnehmung in Streitkräften sinnvoll in Einklang bringen. Am Ende des Tages bringt der Soldatenberuf, und mithin eine zivile Beschäftigung im Geschäftsbereich eines Verteidigungsministeriums, besondere Aufgaben und Anforderungen mit sich. Diese setzen modernen Arbeitsformen, wie sie etwa bei Start-Ups durchaus üblich sind, natürliche Grenzen. Ich denke wir sind gut beraten, hier einen gesunden Mittelweg zwischen Auftragserfüllung und moderner Lebensgestaltung zu beschreiten.  

 

Frau Abgeordnete, zum Schluss noch zwei brandaktuelle Fragen: Nach dem ARD-Deutschland Trend vom 11. Mai 2017 sind 65% der Befragten der Auffassung, dass es der Bw an Führung und Kontrolle fehle, sehen Sie dies auch so?

Nein, die Bundeswehr steht fest auf dem Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Die überwältigende Mehrheit unserer Bundeswehrangehörigen leistet einen tadellosen Dienst und genießt unser Vertrauen. Gleichwohl haben der Fall rund um Franco A. oder die Vorkommnisse in Ausbildungseinrichtungen die gesamte Bundeswehr in ein schlechtes Licht gerückt. Das wird der Truppe nicht im Ansatz gerecht. Aus diesen Vorgängen ein strukturelles Führungs- oder Kontrollproblem abzuleiten, halte ich nicht für angezeigt.  

Was Führung und Kontrolle betrifft kann ich nur sagen: wir haben mit den Leitprinzipien der Inneren Führung einen klaren Wertekanon und wehrdisziplinarrechtlich eindeutige Verhaltensmaßgaben. Ich persönlich halte daher die Frage, warum diese vor allem im Fall Franco A. nicht auch sauber zur Anwendung gekommen sind, für entscheidend. Das muss nachvollzogen und aufgeklärt werden.   

 

Muss vor diesem Hintergrund die Rolle des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages gestärkt werden, und sollte seine Zuständigkeit nicht auf die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr ausgeweitet werden?

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat heute bereits ein starkes Mandat und die notwendigen Freiheiten und Instrumente, seinen wichtigen Auftrag auszuführen. Das tut er übrigens auch gewissenhaft und couragiert, genau wie alle seine Vorgänger. Eine Ausweitung seiner Zuständigkeit auf die Zivilbeschäftigten könnte aber unter Umständen den Besonderheiten, die mit Tätigkeiten in Ihrem Geschäftsbereich insgesamt verbunden sind, besser Rechnung tragen. Insofern kann ich mir das durchaus vorstellen.  

 

Frau Abgeordnete, Frau Manderla, wir danken für das offene Gespräch und freuen uns, Sie bei einer unserer VBB-Veranstaltungen in Bonn oder Berlin demnächst wieder begrüßen zu können.

Ingo John, Vorsitzender des VBB Bereich VIII BMVg