17. November 2020
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Corona-Pandemie trifft zivilen Ausbildungsverbund: Insider berichten

Wie kommt eigentlich unser ziviler Ausbildungsverbund mit den großen Herausforderungen der “zweiten Corona-Welle” zurecht? Diese Frage ist berechtigt, denn in den Medien wie privat hört man einige Hiobsbotschaften von Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen außerhalb der Bundeswehr. Der VBB hat gezielt nachgefragt, denn ganz im Nordosten unseres Landesverbands Baden-Württemberg gibt es einen Campus mit Menschen, die dem Corona-Virus unbeugsam trotzen, aber keinesfalls isoliert agieren.

Was berichten die Ausbildungs-Insider?

Anders als im ersten Lockdown steht diesmal das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung, den allgemeinen Ausbildungsbetrieb bestmöglich aufrecht zu erhalten, weil der Lehrauftrag und der Lehranspruch unverändert weiterbestehen.

Nun bildet die Bundeswehr selbst auch in einer großen Bandbreite aus. Die Palette reicht dabei von der Ausbildung zum Bachelor für Public Administration am Fachbereich Bundeswehrverwaltung der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (HS Bund – FB BWV), über die Laufbahnausbildungen des mittleren technischen und nicht-technischen Dienstes am Bildungszentrum der Bundeswehr (BiZBw), über die Laufbahnausbildungen des gehobenen und höheren technischen Dienstes am BiZBw, schließlich bis hin zum Dualen Studium im technischen Dienst, wozu die Bundeswehr zahlreiche Kooperationsvereinbarungen mit Hochschulen geschlossen hat.

Zur redaktionellen Klarstellung, der Begriff Auszubildende meint hier nicht Azubis wie in der gewerblichen Wirtschaft, sondern neben Studierenden auch hochqualifizierte Meister, Techniker, Bachelor- und Master-Absolventen in der aufbauenden Laufbahnausbildung.

Bei der nichtmilitärischen Ausbildung kommt man um das BiZBw und die HS Bund – FB BWV mit Sitz in der Quadratestadt Mannheim nicht herum. Wie man den jüngsten vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) verfügbaren Statistiken entnehmen kann, befinden sich momentan über 2000 junge Kolleginnen und Kollegen an den Ausbildungsstandorten Mannheim, Oberammergau und Berlin-Grünau. Das sind Zahlen, die beeindrucken und positiv stimmen und man muss den Kolleginnen und Kollegen im BAPersBw Respekt zollen, dass sie es bislang verstanden haben, so viele junge Menschen für die zivile Bundeswehr zu begeistern.

Gleichzeitig muss man sich aber auch fragen: Wie koordiniert man eine solch große Anzahl von Auszubildenden in Zeiten von Corona? Kann das überhaupt funktionieren?

Schauen wir uns hierzu doch einfach einmal die Fakten an!

Seit Beginn des Jahres haben alle Abschlussprüfungen termingerecht stattgefunden. Auch die Bestehensquoten sind vergleichbar mit denen der Vorjahre. Ein überraschend gutes Ergebnis, obwohl kurzfristige Umplanungen in zahlreichen Ausbildungsgängen notwendig wurden. Hier bewährte sich die permanente enge Abstimmung zwischen allen maßgeblichen Stellen, wie der Ausbildungssteuerung im BAPersBw, den praktischen Ausbildungsstationen in den Dienststellen, den Bildungseinrichtungen sowie den Prüfungsämtern.

Es wurden Lernzeiten reduziert oder auch gestreckt und Präsenzformate um hybride oder digitale Formate erweitert. Dies stellte sowohl Lehrende als auch Lernende vor neue Herausforderungen.

Hier kommen wir dann aber auch zu einem Punkt, wo nicht immer alles so perfekt funktioniert hat. Unternehmen, Universitäten und selbst Schulen (ja, auch diese sind dem öffentlichen Dienst zuzurechnen) nutzen mal eben schnell Zoom, Microsoft Teams und WebEx Lernmanagementsysteme wie moodle oder ILIAS. Während sich die Bundeswehr für ihre digitalen hypermodernen Zukunftskonzepte bis hin zur künstlichen Intelligenz feiert und gerätemäßig durchaus auf Höhe der Zeit ist, stolpert sie über eigene Regularien und Vorschriften.

Die Ausbildungseinrichtungen haben jedoch kreative und unkonventionelle Wege gefunden!

So war es rechtzeitig zu Beginn des zweiten Lockdowns möglich, Dozentinnen und Dozenten sowie Lehrer/-innen aus dem Homeoffice in das (virtuelle) Klassenzimmer zu übertragen, so dass sie unterrichten konnten. Zumindest meistens, wenn nicht wieder die Verbindung abriss, oder das Interface zwischen BWI-Rechner, Beamer, WebEx und Telefon just fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn mit dem automatischen Update begann.

Über dieses Wehklagen dürfen wir aber nicht vergessen, dass es Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeitsebene waren, die es trotzdem möglich gemacht und alles flexibel und pragmatisch gerichtet haben. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Bei unserem dual studierenden technischen Nachwuchs haben die kooperierenden Hochschulen ihre Präsenzzeiten teilweise sehr kurzfristig, verändert verschoben oder auch ganz ausgesetzt. Dies hat nicht nur unmittelbar Auswirkung auf die Studierenden, die sich dann auf mehr oder weniger gute Selbst- und/oder Fernlernformate abstützen müssen, sondern auch auf den kompletten Ausbildungsablauf, bei dem auch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mit seinen Dienststellen, die TSL Aachen mit ihrer Ausbildungswerkstatt und das BiZBw unmittelbar betroffen sind. Nur dank der reibungslosen und konstruktiven Zusammenarbeit der Kolleginnen und Kollegen aus diesen Bereichen konnte die zivile Ausbildung bislang aufrechterhalten werden.

Wenn wir auf die Ausbildung des mittleren Dienstes blicken, bleibt auch hier festzustellen, dass die Ausbildung trotz aller Widrigkeiten sehr gut fortgeführt wurde. In bemerkenswert kurzer Zeit gelang es den Lehrbereichen, ein Lernmanagementsystem (ILIAS) als Ausbildungsplattform zu etablieren, auf der alle Beteiligten miteinander kommunizieren und arbeiten können. Wer hätte es vor einem halben Jahr für möglich gehalten, dass Power-Point-Präsentationen, Übungsaufgaben, Multiple-Choice-Tests, Lernvideos und Klassenforen digital zur Verfügung stehen? Zusammen mit den zahlreichen Initiativen der Lehrkräfte ist sehr zügig eine digitale Lernlandschaft entstanden, die in Kombination mit dem Präsenzunterricht eine hybride Laufbahnausbildung der Anwärterinnen und Anwärter ermöglicht. Denn auch wenn es bei den digitalen Lernformaten erhebliche Fortschritte gibt, bleibt der Präsenzunterricht in der Ausbildung des mittleren Dienstes unentbehrlich. Dazu haben die Lehrbereiche des BiZBw inzwischen u.a. durch die Anmietung externer Räumlichkeiten die Voraussetzungen schaffen können, so dass auch bei aktuellen Bedingungen wesentliche Lehrgangsanteile unter Einhaltung der Hygiene-Regeln wieder wie gewohnt in Präsenz unterrichtet werden können. An der HS Bund – FB BWV konnte in den Präsenzstudiengängen sehr schnell auf digitale Lehr- und Lernformate umgestellt werden, da die Lernplattform ILIAS am Fachbereich bereits seit 2016 durch die Bachelor-Fernstudiengänge fest etabliert war. Zudem wurde binnen kürzester Zeit das Angebot an synchronen und asynchronen Online-Vorlesungen erheblich ausgebaut. Inzwischen wird ein Mischsystem aus Präsenz- und digitaler Fernlehre betrieben, das von den Studierenden immer besser angenommen wird.

Wechseln wir jetzt die Perspektive und versetzen uns in die Lage der Auszubildenden. Dass die Einschränkungen, die CORONA mit sich bringt, gerade die junge Generation besonders tangiert, liegt auf der Hand. Gleichwohl hat eine Umfrage, die das BAAINBw unter Auszubildenden durchgeführt hat, eine überwiegend positive Resonanz bezüglich des Ausbildungsbetriebes ergeben. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass der Arbeitgeber Bundeswehr es bisher geschafft hat, die Ausbildung ohne Verzögerungen durchzuführen, während an manchen Universitäten sog. Null-Semester eingeführt wurden oder in der betrieblichen Ausbildung Ausbildungsverhältnisse ruhen mussten - mit teilweise harten finanziellen Folgen für diese Auszubildenden.

Zusammenfassend können wir also festhalten, dass die Bundeswehr mit Blick auf die Sicherstellung der zivilen Ausbildung bislang gut durch das Jahr 2020 gekommen ist. Allerdings gab es dennoch persönliche Härten und Irritationen für einige der Auszubildenden. Schön und angenehm war es sicherlich für niemanden, aber größere Katastrophen sind nicht eingetreten. Es versteht sich von selbst, dass sich unsere Bildungsstätten auf diesem Erreichten nicht ausruhen dürfen, sondern zügig und mit Nachdruck die erkannten Mängel und Schwächen beheben müssen.

Gerade die aktuelle Zeit belegt eindrucksvoll, wie wichtig eine funktionierende öffentliche Verwaltung ist - und sie funktioniert umso besser, je besser unsere jungen Kolleginnen und Kollegen ausgebildet sind.

Aus Verbandssicht muss man hier Lob und Anerkennung an die Kolleginnen und Kollegen von BAAINBw, BAIUDBw, BAPersBw, BiZBw und HS Bund – FB BWV ausdrücken. Sie haben pragmatisch, engagiert und mit gesundem Menschenverstand sowie dank permanenter Abstimmung auf Arbeitsebene die zivile Ausbildung bis heute ohne größere Einbußen sichergestellt. Entscheidend für diesen Erfolg war das Vertrauen des Ministeriums und die Übernahme der Verantwortung durch die Wehrverwaltung des Bundes, die den erweiterten Handlungsspielraum pragmatisch und zugleich rechtssicher ausgefüllt hat.

Soweit die Insider aus Mannheim, gute Nachrichten in gefühlt unguten Zeiten! Selbstverständlich haben wir nicht vergessen, dass auch anderswo ausgebildet wird, denken wir nur an unsere Bundeswehrfeuerwehr. Aber das ist eine andere Geschichte. Last but not least vergessen wir keinesfalls das renommierte Bundessprachenamt. Das verdient eine eigene Geschichte!