06. März 2018
Auf Facebook teilenAuf Twitter weitersagenArtikel versenden

Fakten und alternative Fakten zur Ausrüstungssituation

Was für ein zeitlicher Zufall: Während sich die Regierungsbildung zunehmend konkretisierte, fand sich die Bundeswehr in negativen Schlagzeilen, zuvorderst die mutmaßlich auch zukünftige Frau an der Spitze, Bundesministerin Dr. von der Leyen. Wichtiger Dreh- und Angelpunkt war leider auch der beklagenswerte Allgemeinzustand des chronischen Patienten Bundeswehr, dessen vielfältige Leiden wohl auch durch schlechtes Rüstungsmanagement verursacht werden sollen.

Manche haben in diesem Zusammenhang vorschnell das „Bundeswehr-Beschaffungsamt“ als Erreger diagnostiziert und hätten als Therapie gerne eine neue Organisationsform verordnet. Ein folgenschwerer Kunstfehler durch schlampige Diagnose, wie einige meinen. Wie begründet sich dieses harsche Urteil?

Ja es ist zutreffend, die Bundeswehr hat gravierende Probleme mit Hubschraubern und der A400M hat in etwa das gleiche Image wie unser Hauptstadtflughafen BER: Zu wenig, zu spät, zu teuer! Eine Schande für weltweit anerkannte deutsche Gründlichkeit und Pünktlichkeit! An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass diese multinationalen, sehr komplexen Großvorhaben durch eine internationale Agentur verantwortlich betreut werden, namentlich die OCCAR in Bonn. Alle diese Vorhaben sollen die europäische Technologie voranbringen sowie hochwertige Arbeitsplätze in der europäischen Industrie schaffen und sichern. Daneben lassen sich noch gute Gründe finden, dass es für diese hochwertigen Rüstungsgüter einen militärischen Bedarf in Deutschland gibt. Dieser militärfachlich wohlbegründete Bedarf wurde durch deutsche Verteidigungsminister derart gekürzt, dass sich heute nur Unkundige wundern, wenn Stückpreise regelrecht explodiert sind und sehr spezielle Ersatzteile, die in fast homöopathischen Dosen unregelmäßig bestellt werden, schlicht fehlen. Diese vermeintliche Känguru-Politik, große Sprünge machen wollen mit leerem (Geld-) Beutel, wird nicht in Koblenz erdacht. Dort hat man sie nur umzusetzen. Besonders schlimm ist der Eindruck, dass die mit Steuergeldern aufgepäppelte Industrie ihre Versprechungen nicht mehr einlösen kann, oder will. Was soll man machen, wenn der einzige Hersteller nicht „performt“ und die politische Einflussnahme nicht völlig unschuldig war, siehe A400M-Triebwerk. Eine verfahrene Situation, die intelligente Lösungen auf europäischer Ebene erfordert. Eine sehr schwierige Situation für die OCCAR als projektverantwortliche Agentur! Reflexartige Schuldzuweisungen aus dem politischen Raum nach Koblenz offenbaren deshalb nur die eigene Hilflosigkeit und den Mangel an Verantwortungsbewusstsein. Die Flucht in internationale Agenturen ist wohl kaum die Lösung für Rüstungsprojekte unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Internationale Projektbüros mit klarer „Leadnation“ haben schon häufig sehr erfolgreich in Koblenz agiert und waren vorteilhaft integriert. Das Rad muss nicht neu erfunden werden!

Gut gedacht, schlecht gemacht, schneller Verdacht

Ja, die sehnlichst erwartete Fregatte 125 ist als Technologieträger gepriesen, leider hat das Prestigeobjekt aber nicht nur im übertragenen Sinne Schlagseite. Der Wehrbeauftragte des deutschen Bundestages prangert vollkommen zu Recht an, dass der deutschen Marine diese wichtigen Schiffe fehlen. Allerdings hat ebenfalls das als Auftraggeber zuständige BAAINBw recht, wenn man diese mangelhaften Produkte nicht einfach vom Baukonsortium übernimmt und an die Marine weiterreicht. Kritik am Auftraggeber ist an dieser Stelle fehl am Platz, man muss in der Vergangenheit ansetzen. Der Vorgang offenbart nämlich einen Systemfehler im Beschaffungswesen: Der militärische Bedarfsträger erzwingt augenscheinlich überzogene funktionale Forderungen, weil seine langjährige Erfahrungen zeigen, dass davon nur ein Bruchteil tatsächlich geliefert, zudem das Material übermäßig lange genutzt wird. Die potenziellen Auftragnehmer im Rüstungssektor haben ebenfalls großes Interesse an Hochtechnologie und aufwändigen Entwicklungen, die sich anderweitig gut vermarkten lassen. In diesem hochpolitischen Interessen-Sandwich steckt der Bedarfsdecker, also das BAAINBw. Das Amt soll im Rahmen der Bundeshaushaltsordnung optimiert nach Zeit, Leistung und Kosten, das Unmögliche vollbringen, selbstverständlich seitens der Politik mit 25 Mio. Euro Vorlagen überwacht. Wenn das BAAINBw die Verträge jetzt durchsetzt, wird trotzdem gemeckert. Aber wer hat das Problem geschaffen? Liegt das am bisher praktizierten Verfahren oder an der ach so schlechten Organisationsform, die gerade erst gründlich erneuert wurde?

Ja, die Uboote fahren und tauchen nicht, weil Ersatzteile fehlen. Auch das dringt überaus zufällig in Zeiten des politischen Umbruchs zutage. Die massiven Einsparungen in einer als viel zu teuere gebrandmarkten n Logistik zeigen ihre Wirkung. Die Annahme, dass das „just-in time“-Prinzip auch im sehr speziellen Bereich der in geringsten Stückzahlen vorhandenen Kriegsschiffe funktioniert, bleibt bei den realen Rahmenbedingungen ein Wunschdenken. Die Ersatzteilreichweiten sind offenbar katastrophal. Möglicherweise war man teuer, aber schlecht beraten, denn zivile Logistik und militärische Logistik lassen sich nicht zur Deckung bringen. Da jahrelang an Ersatzteilen gespart wurde, hat die gewerbliche Wirtschaft ihre Kapazitäten angepasst. Nun kommt der Auftraggeber Bundeswehr mit seinen aufwändigen Vergabeverfahren und Haushaltsvorgaben um die Ecke und will mal schnell bevorzugt bedient werden. An alledem kann nur das „Zeughaus am Deutschen Eck“ schuld sein, wer denn sonst!

Dann sind dann noch die Kampfpanzer Leopard 2, einst der Stolz des deutschen Heeres, von denen es offensichtlich zu wenige gibt, um internationale Abkommen einzuhalten. Und die wenigen Leoparden, die wir noch haben, sind nicht vollständig einsatzfähig, weil Ersatzteile fehlen. Insidern außerhalb des Bendlerblocks ist dieser Umstand lange bekannt, aber wer hat was, wann gemeldet, um die Mängel abzustellen? Zu spät wurde bemerkt, dass zu wenig Panzer vorhanden sind. Es war über Jahre zu wenig Geld verfügbar und nun hat die Handvoll geeigneter Lieferanten die überflüssigen Fertigungskapazitäten für Ersatzteile abgebaut. Wie naiv erscheint da der im aktuellen Diskurs vorgetragene Glaube, man müsse nur Haushaltsmittel bereitstellen, dann wird schnell alles wieder gut! Leider steht dem der zwingend anzuwendende Vergabeprozess entgegen. Nebenbei müssen dann, nach dem Vertragsschluss, die bestellten Materialien erst gefertigt werden, das dauert seine Zeit und dies ist lange bekannt. Wir werden auch kommende Weihnachten noch kein Leopardenrudel unter dem Christbaum finden. Ein typisch deutsches Problem, denn andere Nutzernationen sind mit dem Kampfpanzer Leopard hochzufrieden.

Andere Großkatzen schwächeln ebenfalls. Der revolutionäre Schützenpanzer Puma, einst als Technologieträger konzipiert, ist ein nationales Vorhaben, ganz bewusst kein preiswerter Kauf von der Stange. Wurden da Rüstungsmilliarden als Strukturpolitik zum Erhalt nationaler Fähigkeiten missbraucht? Diese Frage müssen andere beantworten. Die Rahmenbedingungen für dieses unbestritten wichtige und notwendige Waffensystem wurden zu Beginn der Ära des Verteidigungsministers Struck ministeriell festgelegt, wobei fundierte Zeit- und Kostenschätzungen des damaligen BWB durch eine ministerielle Arbeitsgruppe unter intensiver Einbindung der betroffenen Industrie keine Berücksichtigung fanden. Potenzielle Mitbewerber haben sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen und kamen gerne den Wünschen des Rüstungsexperten Dr. Stützle entgegen, der Zeit- und Kostenrahmen nach Gutsherrenart bestimmte. Das Ergebnis sehen wir heute, wie eine Banane reift der Puma beim Kunden und kommt ins Gerede. Ein Trauerspiel, denn der Puma ist ein technologischer Leckerbissen, sehnlichst von der Truppe erwartet, trotz oder wegen der Rahmenbedingungen professionell gemanagt, aber mit einer schweren Hypothek belastet, weil dem Vernehmen nach die zugehörige Waffensystemlogistik noch nicht steht. Daran kann natürlich nur der EinkaufBw schuld sein! Wer denn sonst? Schließlich dauert es doch länger, als sich die damalige Vorhabenaufsicht im BMVg und ausführende Industrie ausgemalt haben. Auch nähern sich die Kosten mehr und mehr den realistischen Schätzungen aus der Analysephase. Wer muss es ausbaden? Die wartende Truppe, das projektverantwortliche BAAINBw und besonders der Steuerzahler, denn der Puma bleibt in vielfacher Hinsicht alternativlos. Viele hochqualifizierte Arbeitsplätze hängen an diesem Projekt.

Wir.Brauchen.Ehrlichkeit.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ausuferndes weltweites Engagement der geschrumpften Bundeswehr zu intensiver Nutzung und teurem Verschleiß führt. Massive Unterfinanzierung und daraus resultierender struktureller Raubbau führten geradezu zwangsläufig zu den bekannten und weniger bekannten Problemen in der Nutzung. Die unstrittig vorhandenen Erblasten, unumkehrbarer Rüstungsprojekte, dürfen aber nicht den Blick für das Hier und Heute vernebeln. Ungeduld mit der Rüstung ist verständlich, aber nicht hilfreich. Ausgliederung in Gesellschaften und Agenturen haben den von Beratern prognostizierten Erfolg nicht gezeigt, ganz im Gegenteil. So werden diese Tage in Printmedien unverhältnismäßig hohe Beraterhonorare beim Verkauf der „Panzerwerkstätten“, gemeint ist die HIL GmbH, angeprangert. Damit wir uns richtig verstehen: Schuld sind nicht die Berater, die nehmen in marktwirtschaftlicher Manier mit, was sie kriegen können, das ist ihr Job. Es sind deren Auftraggeber, die sich fragen lassen müssen, was da eigentlich läuft.

Das neue Rüstungsmanagement muss wirken dürfen

Offensichtlich niemand redet über die tatsächliche Verantwortung des BAAINBw in der Einflusszone von Bundeswehr, Politik, Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft. Nicht alles ist schlecht, vieles läuft richtig gut und sehr viel ist neu. Bestehende Mängel werden konsequent angegangen, aktuell beispielsweise das Nutzungsmanagement. Es gäbe also Positives zu vermelden, aber welche Rolle nehmen hochrangige Führungspersönlichkeiten ein, die Rolle erfahrener Leitwölfe oder die Rolle grauer Mäuse? Transparenz nach dem Zielbild Rüstung tut not.

Die Revolution frisst ihre Kinder, die Evolution siegt am Ende immer

Der VBB ist klar und eindeutig für die stetige Evolution des Rüstungsmanagements, lehnt aber die erneute organisatorische Selbstbeschäftigung und die Sündenbockfunktion in den Medien ab. Wir haben das Zielbild Rüstung positiv begleitet. Wir haben die Maßnahmen zur Neuausrichtung unterstützt. Wir haben den Ideen und Strategien der Rüstungsstaatssekretärin breiten Raum gegeben, weil wir tatsächlich neue nachhaltige Ansätze im Auftrag unserer Mitglieder erkannt haben. Und wir wollen, dass es voran geht und dass neue Denkansätze greifen um anstehende Herausforderungen zu meistern.

Das alte Denken, ausgerichtet an organisatorischer Selbstbeschäftigung, weniger an stabilen, leistungsfähigen Strukturen, ist wie ein Wiedergänger, kaum tot zu kriegen. Aktuell bekommen wir die Folgen der vielen revolutionären Umgliederungen in der gesamten Bundeswehr negativ zu spüren. Die Entscheider sollten daraus die richtigen Schlüsse ziehen, wenn demnächst große Aufgaben zu stemmen sind. Was will die Rüstung machen, wenn demnächst die vielen gebilligten 25 Mio. Euro-Vorlagen als Projekte realisiert werden. Dann ist jede Menge Sachverstand notwendig, um zu prüfen und zu testen, ob die Verträge erfüllt werden. Da kommt so eine erneute organisatorische Umwandlung doch genau richtig, oder?

Das Maß ist voll, viel zu voll

Powerpoint-Folien mit schönen Überschriften helfen da nicht weiter, unbesetzte Dienstposten auch nicht. Brauchen wir wirklich so viel teure Beratung für Wissen, das wir haben, aber nicht umsetzen? Hat man in die eigenen Beschäftigten so wenig Vertrauen, hört man fragend aus Koblenz.

Das Schweigen der Führungsriege ist besonders kritisch, da es leicht als Misstrauen gegenüber den Beschäftigten verstanden wird. Liebe Mitglieder, fordern sie deshalb ein, was ihnen versprochen wurde, Transparenz und Glaubwürdigkeit. Helfen sie dem VBB und damit allen Beschäftigten, falschen Schuldzuweisungen zu begegnen und eine leistungsfähige, sichere Organisation zu erhalten oder, wo nötig zu schaffen. Es ist geht um ihren Job, das sollten sie sich wirklich wert sein.