10. März 2021
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Interview mit Frau Präsidentin Korb (BAAINBw)

Frau Präsidentin Korb, Sie leiten als Juristin die wohl größte Bundesoberbehörde technischer Prägung. Was zeichnet das BAAINBw aus, wo sehen Sie Besonderheiten?

Drei Punkte sind aus meiner Sicht hervorzuheben: Wir haben eine anspruchsvolle Aufgabe verbunden mit einem gesamtgesellschaftlich wichtigen Auftrag. Wir verfügen über hochqualifizierte und leistungswillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vielfältige Betätigungs- und Entwicklungsmöglichkeiten finden. Und unsere Arbeit genießt seit jeher ein besonderes öffentliches Interesse durch Gesellschaft, Medien und Politik.

Zunächst erlauben Sie mir bitte ein paar Worte zu unserem Auftrag: Das BAAINBw, zusammen mit seinen wehrtechnischen und wehrwissenschaftlichen Dienststellen, stellt den im Grundgesetz verankerten Auftrag zur Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte sicher. Vereinfacht gesagt: Wir rüsten die Bundeswehr mit bedarfsgerechtem, leistungsfähigem und sicherem Gerät aus!

Der grundgesetzlich verankerte Auftrag bedeutet für uns, auf der einen Seite Ausrüstung für die Bundeswehr zu beschaffen und einsatzreif in die Truppe zu bringen und auf der anderen Seite diese Ausrüstung über den gesamten Lebensweg – sozusagen „von der Wiege bis zur Bahre“ – auch einsatzreif zu erhalten. Unser Anspruch ist dabei eine zukunftsfähige und einsatzbereite Bundeswehr!

Unser Leistungsspektrum ist ausgesprochen vielfältig. Unsere Kompetenzen reichen beispielsweise von der Beschaffung großer Waffensysteme wie dem EUROFIGHTER über Digitalisierungsprojekte bis zu persönlichen Ausstattungsgegenständen für unsere Soldatinnen und Soldaten. Dieses enorme Spektrum stellt besondere Anforderungen an die Managementleittung meines Hauses und die sich hierfür engagierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das bringt mich zum zweiten Punkt, der wesentlichen Besonderheit meines Hauses: So vielfältig wie das Produktspektrum des BAAINBw und seiner Dienststellen, so bemerkenswert ist auch die hohe Qualifizierung und Motivation der hier interdisziplinär tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Für das Management der Projekte und für die Leistungen unserer technisch orientierten Dienststellen – dort wird Material und Gerät erprobt und getestet, dort wird geforscht – bedarf es fachlich exzellenter, hoch motivierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus nahezu allen ingenieurtechnischen Gebieten, wie z.B. Schiffs- und Schiffsmaschinenbau, Informationstechnik, Elektrotechnik und Maschinenbau. Wir brauchen Technikerinnen und Handwerker ebenso wie Ingenieurinnen und Naturwissenschaftler mit stets aktueller Fachexpertise.

Ganz wesentlich ist daneben, dass die Forderungen der Truppe durch präzise, wirtschaftliche und rechtssichere Verträge umgesetzt werden. Hieran arbeitet zum Einen auf den Ebenen des mittleren und gehobenen Dienstes hoch qualifiziertes Verwaltungspersonal, zum Anderen sind es im höheren Dienst Juristinnen und Juristen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftwissenschaftler gemeinsam mit den Projektteams. Neben technischen, wirtschaftlichen, vergabe- und vertragsrechtlichen Fragestellungen – sozusagen dem engen Projektfokus – gibt es  natürlich auch haushalterische, organisatorische oder personelle Bereiche, die wir abdecken, denn ohne Ressourcen gibt es kein Projekt.

Das BAAINBw beschäftigt seit der Umsetzung des Dresdner Erlasses im Jahr 2012 verstärkt auch Soldatinnen und Soldaten, deren militärische Erfahrung und Expertise insbesondere während der Nutzungsphase von eingeführtem Wehrmaterial von unschätzbarem Wert ist. Mir ist es ganz wichtig, an dieser Stelle zu betonen, wie gut die Integration und das Miteinander der zivilen und militärischen Beschäftigten in den letzten Jahren gediehen ist. Wir arbeiten gemeinsam Schulter an Schulter, um die uns gestellten Aufgaben jederzeit bestmöglich zu erfüllen.

Ich bin versucht, zu sagen, dass fast jede Berufsgruppe bei uns ein Betätigungsfeld findet. Eine solche Vielfalt ist schon beeindruckend für sich. Im BAAINBw sind eigentlich für jeden und jede, eine interessante Tätigkeit und vielfältige berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu finden.

Es ist mir weiterhin wichtig darauf hinzuweisen, dass es nicht nur die großen, allseits bekannten und viel diskutierten – teilweise kritisierten – Rüstungsprojekte und die hiermit verbundenen Beiträge des BAAINBw zu 25 Mio. Euro-Vorlagen sind, die unser Haus charakterisieren. Das BAAINBw ist weit mehr! Folgende Zahlen vermitteln Ihnen einen kleinen Eindruck von dem auch zahlenmäßig beeindruckenden „Output“ meines Hauses. Wir haben im vergangenen Jahr allein unterhalb der Wertgrenze von 25 Mio. Euro über 8.800 Beschaffungsverträge geschlossen! Es werden kontinuierlich über 1.400 Projekte und mehr als 800 Vorhaben der Forschung und Technologie in unterschiedlichen Stadien bearbeitet.

Trotz der Corona-Pandemie hatten wir in 2020 respektable Auslieferungen von Material und Gerät an die Truppe. Beim Großgerät verzeichneten wir u.a. die Auslieferung und Übergabe von vier Transportflugzeugen A400M, drei Hubschraubern NH-90, sechs NH-90 SEA LION, 56 Gepanzerten Transportkraftfahrzeugen BOXER, 21 Schützenpanzern PUMA und 13 Kampfpanzern LEOPARD 2 A7V. Nicht unerwähnt lassen möchte ich ferner die Übergabe einer Fregatte der Klasse 125. Bei kleineren Geräten und Systemen konnten wir 22.100 neue Kampfbekleidungssätze Streitkräfte, über 253.000 neue Kampfschuhe, über 2.300 Restlichtverstärkerbrillen und 4.000 neue Sprechsätze ausliefern.

Nach diesen einordnenden Zahlen komme ich zum dritten Punkt, einer weiteren Besonderheit: Diese sehe ich darin, dass unsere tägliche Arbeit und unsere Arbeitsergebnisse – die der Truppe bereitgestellten Waffensysteme und Produkte – stets im besonderen öffentlichen Interesse stehen. Kennzeichnend sind eine sehr intensive Betrachtung durch die Medien, eine oftmals sehr kritische öffentliche Diskussion, die der Komplexität der Materie oftmals nicht gerecht wird und die regelmäßige Thematisierung im politisch-parlamentarischen Raum. Gerade diese dritte Besonderheit liegt mir perspektivisch sehr am Herzen: Es ist mir wichtig, mit Medien, Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertreterinnen und Vertretern des parlamentarisch-politischen Raumes eine kontinuierliche und offene Diskussion zu führen. Dabei möchte ich über unsere Herausforderungen und schwierigen – für uns nicht disponiblen - Rahmenbedingungen, deren Gründe sowie Abhilfemöglichkeiten ebenso reden wie über unsere Erfolge.

Schon immer stehen das BAAINBw und seine Beschäftigten im besonderen öffentlichen Interesse. Wie charakterisieren Sie aus Ihrer langjährigen Erfahrung das BAAINBw und seine Mitarbeiter?

Zunächst stelle ich folgendes klar. Das BAAINBw mit seinen Wehrtechnischen und Wehrwissenschaftlichen Dienststellen ist der Organisationsbereich Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (AIN). Wenn ich vom BAAINBw spreche, dann meine ich natürlich diesen  gesamten Organisationsbereich AIN Der Organisationsbereich AIN ist aus meiner Sicht eine leistungsfähige, hochdynamische und flexible Managementorganisation. Diese Organisation war und ist in der Lage, auf die jeweils gegebenen Herausforderungen zu reagieren und sich den Rahmenbedingungen anzupassen – stets mit dem Fokus, ein Optimum mit Blick auf den Kernauftrag zu erreichen.

Ein sehr anschauliches Beispiel für dieses Adaptions- und Reaktionsvermögen meines Hauses ist die aktuelle Corona-Panademie. Unmittelbar mit dem Beginn dieser für uns alle unerwarteten Ausnahmesituation haben wir im BAAINBw reagiert. Wir richteten die Zentrale Ansprechstelle Coronavirus (ZACv) und die Arbeitsgruppe Beschaffung Persönliche Schutzausstattung (AG Beschaffung PSA) ein. Damit stärkten wir nicht nur unsere eigene Resilienz in der Krise, sondern lieferten und liefern auch weiterhin vielfältige Unterstützungsleistungen für die Zivilgesellschaft. Und leisteten Amtshilfe für das Bundesministerium für Gesundheit.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAAINBw haben diese Sonderaufgaben mit Herz und Seele angenommen und mit herausragendem Engagement und Leistungswillen gestaltet. Sie haben vielfach eigene Bedürfnisse hinten an gestellt und sich so für die Gesellschaft aktiv eingebracht. Und dabei demonstrierten sie ihre hohe fachliche Qualifikation und Sachkenntnis in besonderem Maße! Das sind die aus meiner Sicht ganz wesentliche Attribute, mit denen ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter charakterisiere. Unterstreichen möchte ich dieses Lob noch durch den Hinweis darauf, dass wir im Haushaltsjahr 2020 das Ziel der Vollausgabe im Bereich der Rüstungsinvestitionen und bei der Materialerhaltung trotz Corona gemeinsam erreicht haben.

Welchen Beitrag leistet das BAAINBw und was können die weiteren Prozessteilnehmer tun, um gemeinsam die Ausrüstungslage zu verbessern?

Sie sprechen hier einen aus meiner Sicht ganz besonders wichtigen Punkt an: Das BAAINBw ist nicht allein verantwortlich für die Ausrüstungslage der Bundeswehr. Wir haben eine Vielzahl von Akteuren und Verantwortungsträgern in der Prozesskette zu berücksichtigen, mit denen wir in Interaktion stehen.

Ausrüstung fängt bei der Planung an und so ist für uns die Zusammenarbeit mit der ministeriellen Abteilung Planung und dem Planungsamt der Bundeswehr ganz wesentlich für den Projektaufsatz. Das betrifft Fragestellungen des Forderungscontrollings, d.h. das Festschreiben der Anforderungen an die gewünschte Ausrüstung. Forderungen sollten möglichst frühzeitig und konkret festgelegt werden. Änderungen und Abweichungen von diesen Festlegungen dürfen dann nur in ganz engem Rahmen und aufgrund dringender Notwendigkeit erfolgen.

Weiterhin verantwortet die Planung die Priorisierung, d.h. die Festlegung, welche Projekte und Programme angesichts knapper Ressourcen vorrangig zu bearbeiten sind. Neben militärischen Erfordernissen und haushalterischen Machbarkeiten spielt auch die Verfügbarkeit des für ein Projekt erforderlichen qualifizierten Personals eine entscheidende Rolle. Es ist somit sehr wichtig, dass die Ressourcenlage des BAAINBw in Priorisierungsbetrachtungen mit einfließt.

Auch das Zusammenspiel mit dem Organisationsbereich Cyper- und Informationsraum bzw. der ministeriellen Abteilung Cyber/Informationstechnik hat aufgrund der vielfältigen Projekte in Bereich Cyber und IT eine immer größere Relevanz. Hier sind wir aufgrund der rasanten Entwicklung der Mangel-Ressource IT-Personal und von Defiziten im Bereich der Digitalisierung sehr gefordert.

Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass weiterhin die Leistungsfähigkeit der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie entscheidend ist für die Qualität der beauftragten Produkte. Wehrtechnik war, ist und bleibt Spitzentechnologie. Die deutsche Rüstungsindustrie zählt mit ihrem vornehmlich mittelständischen Charakter auch heute noch zu den fortschrittlich­­sten und innovativsten Rüstungsindustrien der Welt. Innovationen und technischer Anspruch bedingen auch kalkulierte und bewusst eingegangene Risiken in der Entwicklung und Produktion, denn oft wird Neuland betreten und manche Schwierigkeit ist in der „Euphorie des Projektaufsatzes“ nicht abzusehen. Es heißt also auch für den Dialog mit der Industrie, dass wir uns auf beiden Seiten – Auftragnehmer und Auftraggeber – dieser Risiken stets bewusst sind, sie systematisch verfolgen und versuchen, uns auf das Machbare zu konzentrieren.

Natürlich spielt das BAAINBw bei der Ausrüstungslage die zentrale, koordinierende Rolle: Wir sorgen für die Ausstattung der Bundeswehr mit leistungsfähigem und sicherem Gerät. Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen Entwicklung, Erprobung, Beschaffung und das Nutzungsmanagement von Wehrmaterial – das ist, wie ich bereits ausführte, ein großes Spektrum an Produkten und Systemen. Wir verantworten die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für die Bedarfe der Streitkräfte, die Realisierung der Produkte, die Nutzungssteuerung und schließlich die Aussonderung und Verwertung von Wehrmaterial. Wir sitzen mit den Streitkräften und der Industrie von Beginn an „an einem Tisch“, steuern als öffentlicher Auftraggeber Neuentwicklungen, erproben und verbessern die Prototypen bis zur technischen Reife und prüfen schließlich das fertige Material. Diese Rolle versetzt uns in die Lage,  den Streitkräften eine bedarfsgerechte Ausrüstung zu gewährleisten.

Zusammengefasst ist zu sagen: wir sind der zentrale technische Dienstleister in Bezug auf Wehrtechnik und deren Einsatzreife während der Nutzung und sind somit das Bindeglied, welches das Ausrüstungs- und Nutzungsmanagementsystem – vom Bedarfsträger bis zur Industrie – zusammenhält. Bei all diesem sind wir an die rechtlichen, gesetzlichen und politischen Vorgaben und Rahmenbedingungen gebunden. In diesem komplexen System des Rüstungswesens wollen wir, das BAAINBw, ein Treiber für Weiterentwicklung und Optimierung sein. Als deutliches Zeichen für Weiterentwicklung betrachte ich das von Frau Bundesministerin und Herrn Generalsinspekteur der Bundeswehr kürzlich veröffentliche Positionspapier „Gedanken zur Bundeswehr der Zukunft“. Wir möchten uns in den Prozess der weiteren Verfeinerung der dort formulierten Leitgedanken für die „Bundeswehr der Zukunft“ mit unserer Fachexpertise einbringen und werden „von innen heraus“ Impulse setzen und Optimierungsmaßnahmen voranbringen mit dem Ziel einer zukünftig noch besseren Ausrüstungslage der Bundeswehr.