26. Juni 2020
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Persönliche Eindrücke aus dem Bildungszentrum der Bundeswehr (BiZBw) in Mannheim

Unter den Bundesoberbehörden im Verteidigungsressort nimmt das BiZBw eine Sonderstellung ein, denn die Hörsaal- und Unterkunftsgebäude können nicht nur bestimmungsgemäß zur Verteilung von Wissen genutzt werden. Welche Auswirkungen hat die Pandemie die dortigen Beschäftigten und die Lehrgangsteilnehmer? Wie erfüllt diese Bundesoberbehörde unter diesen Bedingungen ihren Auftrag und ihre Aufgaben? Der virologischen Bedrohung muss konsequent Einhalt geboten werden, eine Herausforderung der ganz besonderen Art!

Als Bundesvorsitzender wollte ich mir persönliche Eindrücke verschaffen und dank der Unterstützung des Präsidenten des BiZBw war dann Mitte Juni soweit.

Eines fiel mir gleich nach meinem Eintreffen auf dem Bildungscampus in Mannheim auf: Es ist deutlich geschäftiger, als ich es von einer großen Bildungsstätte unter diesen Hygiene-Auflagen erwartet hätte. Auf dem bekannten roten Platz standen schätzungsweise dreißig junge Menschen in kleinen, aufgelockerten Gruppen und unterhielten sich angeregt. Wie ich später erfuhr, war dies die jüngste Einstellungsgruppe des höheren technischen Dienstes, die kurz vor dem Wochenende standen und dem Ende der heutigen Vorlesungen zum Projektmanagement entgegensahen.

Nach Betreten des Gebäudes erwartete mich dann ein deutlich anderes Bild. Nur wenige Beschäftigte waren zu sehen und diese wenigen trugen eine Gesichtsmaske. Überall standen Hinweisschilder, die auf die Einhaltung von Schutzabständen hinweisen, daneben Desinfektionsspender, alles vollkommen ungewöhnlich, fast ein wenig surreal. Kurz darauf Erleichterung: Ganz real ein Gespräch mit dem Standortgruppenvorsitzenden Dr. Kaltwang, der gewohnt freundlich und kompetent seinen Bundesvorsitzenden informierte.

Präsident Reifferscheid erläuterte dann im persönlichen Gespräch, wie sich die Situation am BiZBw seit Mitte März geändert hat und welche Maßnahmen eingeleitet wurden. Mit Unterstützung der Öffentlich-rechtliche Aufsicht wurde ermittelt, wie viele Menschen sich noch gleichzeitig in den Hörsälen aufhalten dürfen, Empfehlungen für Maskentragen wurden erarbeitet, Hygienevorschriften im Kantinenbetrieb umgesetzt usw.

Für die Beschäftigten wurde sehr schnell ein Konzept entwickelt, so dass, wo immer möglich, ein Arbeiten von zu Hause angewiesen wurde. Wie auch andere Stellen der Bundeswehr hatte auch das BiZBw mit der Knappheit von GeNu-Cards, überlasteten Netzzugängen und der Ungewohntheit der Situation zu kämpfen. Der Lehrbetrieb wurde, zumindest soweit die Fortbildung betroffen war, weitestgehend ausgesetzt.

Also, erstmal alles gut? Nicht so ganz!

Bei meinen Gesprächen am BiZBw wurde deutlich, dass man zwar die Fortbildung einigermaßen leicht aussetzen kann, aber Eingriffe in die Ausbildung sofortige und schwere Konsequenzen nach sich ziehen. Ein Satz, wie man ihn in Papieren des BMVg lapidar und sinngemäß findet wie „die Ausbildung ist weiterzuführen“, schreibt sich deutlich leichter, als dieser umgesetzt werden kann. Aber er wird umgesetzt, Erlass ist Erlass!

Vielleicht konnte sich der oder die ein oder andere Leserin oder Leser des VBB Magazins, der in den letzten Tagen einmal auf der Intranetseite des BiZBw war, ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er oder sie über den Bericht über eine junge Kollegin am Ostseestrand stolperte ist, die das Fernlernen sichtlich genoss. Wenn wir diesen werbewirksamen Auftritt einmal kritisch hinterfragen, müssen wir feststellen, dass wir unseren jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich gerade in der Ausbildung befinden, doch einiges abverlangen. Das ist zwar nachvollziehbar und geschieht selbstverständlich mit Blick auf unser aller Gesundheit, es wirft jedoch Fragen auf!

Wenn die Ausbildung über Fernlernen so einfach möglich ist, wie uns der Intranet-Artikel vermittelt, sind dann die Anforderungen in der Präsenzausbildung zu niedrig? Brauchen wir überhaupt noch Präsenzausbildung, wenn es doch mit Laptop auch vom Ostseestrand aus geht? Und ganz grundsätzlich: Ist die Ausbildung, wie sie am BiZBw durchgeführt wird, überhaupt noch zeitgemäß?

Dabei kommt mir in den Sinn, dass einige Protagonisten einerseits die Laufbahnausbildung kritisch hinterfragen und andererseits eine vorteilhafte Substitution durch Direkteinstellungen suggerieren.

Dieses ist sicherlich ein Themenkomplex, der meinen Besuchsbericht aus dem BiZBw sprengen würde und den der VBB deshalb nochmals aufgreifen möchte. An dieser Stelle nur: Die Laufbahnausbildungen schaffen ein lebenslanges Netzwerk, das auf andere Art und Weise nur schwer zu etablieren wäre. Oder mit vergleichendem Blick auf unsere Soldatinnen und Soldaten: Käme dort irgendjemand ernsthaft auf die Idee, den Stabsoffizierslehrgang oder gar die Generalstabsausbildungslehrgänge durch ein „training-on-the-job“ ersetzen zu wollen?

Tatsächlich erfuhr ich bei meinen Gesprächen in Mannheim jedoch, dass es um die Ausbildung viel besser bestellt ist als aktuell zu befürchten war. Tatsächlich wurden und werden alle Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt. Nicht alle in Präsenz, aber unter Zuhilfenahme aller möglichen Methoden. Und das gilt für alle Standorte, also nicht nur in Mannheim, sondern z.B. auch in Berlin und Oberammergau und für alle Ausbildungen über allen Laufbahnen einschließlich der Aufstiegsverfahren. Ein erstaunlich positiver Befund.

Und gerade in diesem Punkt zeigt sich die Stärke der öffentlichen Verwaltung, die sich ganz wesentlich aus dem Selbstverständnis der Bediensteten gerade auf den unteren Arbeitsebene ableitet: Dem Willen, möglich zu machen, was geht. Auch wenn klare Vorgaben fehlen, weil es diese in einer solchen Situation gar nicht geben kann. Die Stärke des zivilen Führungsverständnisses liegt gerade darin, dass der Vorgesetze loslassen und darauf vertrauen kann, dass die Verantwortung dort wahrgenommen wird, wo sie hingehört: auf die jeweils richtige Ebene.

Das BiZBw kann Krise!

Ich danke dem Präsidenten BiZBw Reifferscheidt und Abteilungsleiter Dr. Pixius für die tiefen Einblicke in die aktuelle Lage vor Ort. Das Engagement aller Kolleginnen und Kollegen sowie Kameradinnen und Kameraden des gesamten BiZBw verdient Anerkennung und Respekt, denn die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs ist eine grundlegende Investition in unsere Zukunft.