12. April 2021
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Bundesschwerbehindertenvertretung

Pflege

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

persönliche private Erlebnisse aus dem letzten Jahr 2020 ließen nach den gemachten Erfahrungen den Entschluss bei mir reifen, das Thema Pflege auch in unserer Zeitschrift aufzugreifen.

Eigene Betroffenheit oder auch Ereignisse im engen privaten Umfeld lassen den Begriff Pflege umfänglich mit vielen Facetten und Inhalten ausfüllen.

Lange wird dieses Thema vielfach weit in die Zukunft geschoben, bis es ohne Unterlass an die eigene Tür klopft und keinen Aufschub mehr duldet. Dann ist meistens guter Rat teuer.

Glücklicherweise leben wir in einer Gesellschaft, wo sich schon länger dieses Themas angenommen und vielfach Vorsorge getroffen wurde. Sicherlich sind hier auch noch viele Verbesserungen notwendig. Aber dies ist ein kontinuierlicher Prozess, insbesondere in einer alternden Gesellschaft wie der unsrigen. Vielfach haftet auch dem Begriff Pflege etwas Endliches des letzten Lebensabschnittes an. Sicherlich, aber alles in unseren Leben ist letztendlich endlich. Wenn wir uns also hiervor wegducken wollen, verleugnen wir auch unser eigenes Leben.

Wenn wir selbst oder ein naher Angehöriger aus gesundheitlichen Gründen pflegebedürftig werden oder man keinen Haushalt mehr führen kann oder will, sind viele Dinge zu bedenken und zu organisieren.

Ich möchte Sie hierzu in den nächsten Ausgaben unserer Verbandszeitung informieren und sensibilisieren. Wegen des Umfangs zum Thema Pflege teile ich diesen Beitrag in 3 Teile. Der 2. und 3. Teil zum Thema Pflege wird in den nächsten Ausgaben der VBB-Verbandszeitung veröffentlicht.

Viele Schritte stehen an wie zum Beispiel:

-          Sich durch Personal eines in der Nähe befindlichen Pflegestützpunktes beraten lassen, siehe z.B. (https://www.pflege-durch-angehoerige.de/pflegestuetzpunkte/). Diese Beratung ist kostenlos. Hier werden viele Tipps und Empfehlungen gegeben, die für die weiteren notwendigen Schritte hilfreich sind.

-          Für privat Versicherte Beratung durch „COMPASS“ (https://www.compass-pflegeberatung.de).

-          Wo und wie soll die Pflege organisiert werden, zu Hause oder im Pflegeheim?

-          Kontakt mit der Krankenkasse für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer und der Pflegekasse für die private Pflegeversicherung für Beamtinnen und Beamte.

-          Einstufung in einen Pflegegrad, sofern noch nicht erfolgt:

o   Im Bereich der sozialen Pflegeversicherung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK).

o   Im Bereich der privaten Pflegeversicherung durch ein vom Verband der privaten Krankenversicherung geregeltes Gutachterverfahren (MEDICPRO).

-          Beihilfeberechtigte und berücksichtigungsfähige Personen erhalten Beihilfe zu den Pflegeleistungen nach Maßgaben der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV), wenn sie pflegebedürftig sind und die Zuordnung zu einem Pflegegrad gegeben ist.

Hierzu gibt es viele hilfreiche Informationen auf der Internetseite des Bundesverwaltungsamtes – Dienstleistungszentrum (https://www.bva.bund.de/DE/Services/Bundesbedienstete/Gesundheit-Vorsorge/Beihilfe/4_Beihilfeanspruch/41_Beihilfeberechtigte/5_Pflegebeduerftige/56_Leistungen_Pflegebeduerftige/563_Vollstationaere_Pflege/563_vollstationaere_pflege.html).

-          Was ist an Hilfsmittel erforderlich und was muss wo beantragt werden?

-          Wie wird die Pflege zu Hause organisiert? Zum Beispiel durch einen Pflegedienst, Betreuungskräfte oder ganz privat.

-          Sind eine Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und eine Betreuungsverfügung vorhanden. Wenn nicht ist es unbedingt erforderlich, diese Vollmacht und die Verfügungen zu erstellen und von den Beteiligten zu unterzeichnen.

-          Prüfung ob ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden kann.

-          Klärung der finanziellen Rahmenbedingungen – Einnahmen/Ausgaben/finanzielle Hilfen zur Pflegeunterstützung.

Bei diesen vielen zu berücksichtigenden Punkten sollte nicht vergessen werden, dass auch die eigenen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Am Anfang kommt eine große Vielzahl von zu regelnden Punkten auf die Betroffenen zu. Sollte sich im Laufe der Zeit herausstellen, dass Angehörige mit der Pflege überfordert sind, sollte nicht gezögert werden, die Beratungsstellen zu kontaktieren und gegebenenfalls andere Lösungen wie zum Beispiel ein Pflegeheim zu erwägen.

Die Kosten für ein Pflegeheim sind allerdings vielfach ein schmerzhafter Begleitumstand der Pflege.

Grundsätzlich muss jeder Heimbewohner die Kosten im Zusammenhang mit einer Heimunterbringung selbst tragen. Diese Kosten setzen sich zusammen aus:

·         den Pflegekosten

·         den Kosten für Unterkunft und Verpflegung

·         den Investitionskosten (Kosten des Heimträgers zur Errichtung und Instandhaltung von notwendigen Gebäuden sowie zur Finanzierung von Mieten und Pachten)

·         Ausbildungszuschlag/-umlage für die angehenden Pflegekräfte im Heim

·         ggf. Zusatzkosten für Zusatzleistungen wie zum Beispiel Fahrdienste und Einkaufshilfen

Zwar zahlt jeder in die gesetzliche Pflegeversicherung ein. Doch die Pflegeversicherung ist nur eine Basisabsicherung. Meist reichen deren Auszahlungen nicht, die hohen Kosten zu begleichen. Ein Pflegeheim kostet einige tausend Euro pro Monat. Dies sind Summen, die vielfach dauerhaft nicht aufgebracht werden können.

Im Pflegegrad III, der mittlere Pflegegrad, zahlt die gesetzliche Pflegeversicherung für die voll stationäre Pflege zum Beispiel 1262 Euro pro Monat (Stand 2020). Die weiteren Kosten muss der Pflegebedürftige selbst finanzieren. Dafür reicht vielfach das Einkommen nicht aus. Beihilfeberechtigte und berücksichtigungsfähige Personen erhalten Beihilfe zu den Pflegeleistungen nach Maßgaben der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV), wenn sie pflegebedürftig sind und die Zuordnung zu einem Pflegegrad gegeben ist.

Für den Rest, der nicht aus eigenem Vermögen geleistet werden kann, kommt unter bestimmten Voraussetzungen das „Sozialamt“ auf. Doch hat ein Pflegebedürftiger selbst ein Vermögen aufgebaut, muss er es erst einmal in bestimmten Grenzen für die Pflege einsetzen. Auch Wohneigentum zählt dazu. Was in Jahrzehnten geschaffen worden ist und wofür man auf andere Annehmlichkeiten verzichtet hat, steht auf einmal zur Disposition.

Rücklagen wie zum Beispiel Vermögen und gegebenenfalls auch ein Erlös für das eigene Haus müssen aufgebraucht werden. Gar nicht so selten müssen pflegebedürftige Eigentümer ihre Immobilien verkaufen, um die anfallenden hohen Pflegekosten zu bezahlen. 

Zur Finanzierung des Pflegeheimplatzes ist es entscheidend, welches Einkommen und Vermögen der Betroffenen vorhanden ist.  Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Haus je nach Fall Schonvermögen ist und nicht zu berücksichtigen ist. Dies ist immer von den familiären Rahmenbedingungen abhängig.

Eine angemessene Immobilie gehört so lange zum Schonvermögen, wie sie von beiden Ehepartnern bewohnt wird. Das gilt immer dann, wenn ein Ehepartner zu Hause gepflegt wird – egal, ob durch den eigenen Partner oder einen häuslichen Pflegedienst.

Selbst wenn ein Ehepartner ins Pflegeheim zieht, gehört das Haus noch zum Schonvermögen. Aber nur unter zwei Bedingungen: Der andere Partner muss es weiterhin bewohnen und die Wohnfläche muss nach wie vor angemessen sein.

Ziehen jedoch beide Ehepartner in ein Pflegeheim, muss das Haus in der Regel verkauft werden, wenn anderweitig kein eigenes Vermögen zur Verfügung steht. Von dem Erlös wird schließlich ein Teil der Heimkosten bezahlt. 

Auf Schonvermögen darf das Sozialamt nicht zugreifen. Dazu zählen alle Gegenstände, die der Hilfesuchende für seinen Lebensunterhalt braucht. So steht ihm zum Beispiel ein Freibetrag bei Geldvermögen zu (ein Schonbetrag von 5.000 €, der gleiche Betrag gilt auch für den Ehepartner), ein „angemessenes“ Fahrzeug oder eine „angemessene“ Immobilie, sofern er sie selbst nutzt. 

Doch, was ist im deutschen Sozialrecht „angemessen“ – und was nicht? Die Angemessenheit bestimmt sich nach vielen Faktoren, etwa der Zahl der Bewohner oder der Größe des Hauses oder des Grundstücks. Wohnen aber bereits nur die Angehörigen (Beispiel Kinder) in der Immobilie, zählt diese nicht zum Schonvermögen.

Hier empfehle ich, sich von entsprechenden Fachleuten beraten zu lassen.

Wer bietet Pflegeberatung an:

-          Private und gesetzliche Krankenkassen.

-          Pflegeberatungen, die für Krankenkassen arbeiten und von der Kasse auch bezahlt werden

-          Pflegestützpunkte

-          Bürgertelefon des Bundesministers für Gesundheit (030 340606602)

-          Ambulante Pflegedienste und Pflegeheime (z.B. Caritas oder Rotes Kreutz)

-          Kommunale Senioren- und Pflegeberatungen

-          Kirchliche Institutionen und Wohlfahrtsverbände

-          Sozialdienste von Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen

-          Private Pflegeberater

-          Internet-Beratungsstellen

ACHTUNG. Nicht bei jedem Beratungsdienst ist die Beratung kostenlos. Zum Beispiel bei privaten Pflegeberatern oder Internet-Beratungsstellen sollten Sie sich vor Inanspruchnahme der Beratung nach den Kosten erkundigen.

Viele ältere Menschen treibt die Sorge um, dass ihre längst erwachsenen, berufstätigen Kinder vom Sozialamt aufgefordert werden könnten, für die Pflegekosten der Eltern aufzukommen. Um die Situation von unterhaltspflichtigen Angehörigen zu verbessern, trat am 01.01.2020 das Angehörigen- Entlastungsgesetz in Kraft. Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz wurde beschlossen, dass Kinder erst ab einem Jahresbrutto-Einkommen von mehr als 100.000 Euro Unterhalt zahlen müssen. Diese Entlastungsregelung gilt für Kinder, die Elternunterhalt für ihre pflegebedürftigen Eltern zahlen müssen, sowie für Eltern, die zum Unterhalt an ihre pflegebedürftigen Kinder verpflichtet sind.

Die Regelung tritt nur ein, wenn pflegebedürftige Eltern und Kinder ihren Lebensunterhalt nicht selbst aufbringen können.

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz gilt nicht, wenn Ehegatten finanziell füreinander einstehen müssen. Die Folge: Zieht der Ehepartner z.B. ins Pflegeheim um, muss der zuhause wohnende Ehepartner die Heimkosten mittragen. Der Gesetzgeber vertritt hier die Meinung, dass sich Ehepartner untereinander besonders verpflichtet sind. Unterhaltszahlung an Ehepartner werden weiterhin auch unterhalb der Einkommensgrenze von 100.000 Euro jährlich gefordert.

Ist das Vermögen aufgebraucht und die eigenen Einkünfte maximal herangezogen, bleibt der Antrag auf Hilfe zur Pflege (siehe zum Beispiel auch Internetseite (pflege.de)), wie er im Sozialgesetzbuch (SGB) XII  § 61 formuliert wurde.

Die Hilfe zur Pflege steht grundsätzlich jedem Pflegebedürftigen zu. Denn Sozialhilfe im Pflegeheim ist nicht nur möglich, sondern oft auch unumgänglich.

Stellen Sie diesen Antrag auf Sozialhilfe im Pflegeheim unbedingt rechtzeitig. Nämlich bereits dann, wenn Sie absehen können, dass eigene Einkünfte, Leistungen der Pflegeversicherung und gegebenenfalls der Beihilfe, eigenes Vermögen und Unterhaltsverpflichtung etwaiger Ehepartner/Kinder die Heimkosten nicht decken können. Die Hilfe zur Pflege wird nicht rückwirkend ausgezahlt, sondern erst, wenn das Sozialamt über die Bedarfslage informiert wurde.

Verbraucherschützer empfehlen private Pflegeergänzungsversicherungen. Auch das Bundesministerium für Gesundheit rät, für einen möglichen Pflegefall privat vorzusorgen. Denn schon heute übersteigen die tatsächlichen Pflegekosten die Leistungen aus der Pflegepflichtversicherung. Ein Trend, der sich fortsetzen wird. 

Derzeit plant das Bundesgesundheitsministerium, im Zuge der Pflegereform den Eigenanteil für die reinen Pflegekosten im Heim auf höchstens 700 € pro Monat und maximal 3 Jahre zu deckeln. Danach soll der Staat zahlen. Allerdings machen die reinen Pflegekosten nur circa 1/3 der gesamten Kosten aus. Wohnen, Verpflegung, Investitionskosten und eine Ausbildungsumlage für die angehenden Pflegekräfte kommen hinzu. Dies ist zwar eine Entlastung, vielfach müssen die Betroffenen für den Heimaufenthalt doch noch die Hilfe zur Pflege des Sozialamtes beanspruchen.

Die Kosten für die Finanzierung der Pflege sind seit der Einführung der Pflegeversicherung so gestiegen, dass unter dem Strich weiterhin eine Finanzierungslücke besteht.

Zur Entlastung der Betroffenen und Angehörigen sind also auch in Zukunft noch dicke Bretter zu bohren.

Zum Thema Pflege gibt es eine Vielzahl von Informationen und Beratungsmöglichkeiten.

Auch der Sozialdienst der Bundeswehr bietet den Angehörigen der Bundeswehr und ihren Familien Beratung und Betreuung in allen sozialen Angelegenheiten wie auch zum Beispiel zur Pflege. Der Sozialdienst ist unter anderem flächendeckend im gesamten Bundesgebiet bei den Bundeswehr-Dienstleistungszentren eingerichtet. Nähere Informationen erhalten sie auch über die Internetseite www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/der-sozialdienst-der-bundeswehr.

Viele Dinge wurden von mir wegen der umfangreichen Regelungen und den Hilfemöglichkeiten nicht angeführt. Überfordern Sie sich nicht selbst. Den Pflegebedürftigen ist damit nicht geholfen. Nehmen sie die umfangreich angebotenen Hilfen der verschiedenen Einrichtungen in Anspruch. Sie sind nicht der oder die Erste, welche sich mit diesem Thema auseinandersetzen muss!

Es war meine Absicht, sie zu diesem Thema zu sensibilisieren. Auch ich bin zu diesem Thema kein Fachmann. Allerdings haben mich meine persönlichen Erfahrungen dazu veranlasst, dieses Thema auch für unsere Mitglieder im Verband aufzugreifen.

Jeder von uns ist oder wird in Zukunft möglicherweise mit diesem Thema konfrontiert werden.

Ich verbleibe mit herzlichen Grüßen

Gerhard Bernahrndt

Bundesschwerbehindertenvertreter