09. Februar 2021
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Zurück zur Sache

Corona macht offensichtlich kreativ. Vielleicht wirft auch die Bundestagswahl ihre Schatten voraus und man lässt wahlkampf- oder koalitionssondierende Versuchsballons aufsteigen, um zu prüfen, wie groß die Empörung ist. Zurückrudern ist ja immer noch möglich!

Nur so lässt es sich erklären, dass in den letzten Monaten Ideen sprießen, die mit den Vorgaben des Grundgesetzes nicht im Einklang stehen. Soldatinnen und Soldaten sollen vermehrt die Leitung von zivilen Ämtern der Bundeswehrverwaltung übernehmen oder der Generalinspekteur soll bis hin zur Gleichstellung mit einem beamteten Staatssekretär gestärkt werden. Besonders interessant ist die Tatsache, dass sogar eine Idee aus dem Waffenarsenal der AfD Eingang in die Forderungen einer bisher dem Rechtsstaat verpflichteten Partei gefunden hat. Während die AfD sich 2019 in ihrem Grundsatzpapier „Streitkraft Bundeswehr“ mit der Forderung nach der Einführung eines Generalstabes begnügt, strebt die FDP nun sogar die Errichtung eines „Generalführungsstabes“ an. Welche Allianzen werden hier geschmiedet? Wer hat hier der FDP die Feder geführt? Kann dies als Koalitionsangebot verstanden werden?

Es ist eigentlich ganz einfach: Die Verfassung legt eine organisatorische und personelle Trennung von Streitkräften einerseits und Bundeswehrverwaltung andererseits fest. Dem interessierten Kreis muss der historische und über die Jahrzehnte diskutierte Hintergrund nicht erläutert werden. Mit dem Dresdner Erlass von 2012 wurde diese Trennung aufgeweicht, und zwar in eine Richtung: Soldatinnen und Soldaten übernehmen zivile Aufgaben.

Wenn man sich jedoch entschließt, von den Vorgaben des Grundgesetzes abzuweichen, so kann dies nur aus gewichtigen Gründen unter Abwägung verschiedener Wertungen des Grundgesetzes geschehen. Nicht nur die aktuelle personelle Fähigkeitslage in den Streitkräften lässt große Zweifel aufkommen, dass der verfassungsrechtliche Auftrag der Streitkräfte, der Verteidigung des Landes dienen, gestärkt wird, wenn gleichzeitig Aufgaben der Bundeswehrverwaltung übernommen werden.

Abgekürzt lässt sich feststellen, dass in keinem der bisher veröffentlichten Papiere auch nur der Versuch unternommen wurde, zu begründen, warum Soldatinnen und Soldaten entgegen den Vorgaben des Grundgesetzes Aufgaben der Bundeswehrverwaltung übernehmen sollten. Die Begründungspflicht hierfür liegt bei denjenigen, die solches fordern und nicht bei denjenigen, die ihren verfassungsrechtlichen Auftrag erfüllen möchten.

Insbesondere die Forderung der FDP, dass der Generalinspekteur einem beamteten Staatssekretär gleichgestellt werden soll, stellt einen Bruch mit den Ideen der Väter und Mütter des GG dar. Sie widerspricht der Vorgabe einer zivilen Führung von Bundesministerien durch die Bundesminister/-innen und ihre Vertreter, den beamteten Staatssekretären und Staatssekretärinnen. Die Forderung, den Staatssekretären und Staatssekretärinnen im BMVg nur noch die Verantwortung für Haushalt und Ausrüstung, nicht aber mehr für Personal und Infrastruktur zuzubilligen, steht so offenkundig im Wertungswiderspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 87b GG, dass man dies nur mit (Er-)Staunen zur Kenntnis nehmen kann.

Eine Demokratie lebt vom Diskurs und der inhaltlichen Auseinandersetzung. Als Interessensverband der zivilen Beschäftigten der Bundeswehr bringen wir uns gerne ein. Aber bitte, kehrt zurück zur Sache, und seid nicht blind auf dem zivilen Auge! Wägt Eure Forderungen ab, wenigstens ansatzweise!