Die Personalstruktur der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist dysfunktional und nicht auf die Erfüllung der Einsatzbereitschaft ausgerichtet. Viele zu viele Uniformträger dienen nicht in der Truppe, sondern arbeiten in Büros. Sogar freiwillig Wehrdienst Leistende (FWDLer) werden in zivilen Bundesämtern eingesetzt. Da muss man sich nicht wundern, wenn diese jungen Menschen nicht den Soldatenberuf ergreifen wollen. Den haben sie nämlich gar nicht richtig kennengelernt.
Die Missstände in der militärischen Personalstruktur der Bundeswehr werden nicht nur vom VBB aufgriffen. Sie werden auch im Bericht der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, thematisiert.
Auch die renommierte Fachpublikation „Griephan – Brief“ greift dieses Thema auf.
In zwei Ausgaben wird die Kritik des VBB ausführlich dargestellt und geteilt.
In der Ausgabe 09/25 wird die Presseerklärung des VBB zu der aktuellen Situation der Bundeswehr komplett übernommen:
„Fleisch am Knochen
Man muss den Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr (VBB) nicht unbedingt im disruptiven Kreis der übereifrigen Bilderstürmer vermuten – wir waren jedoch erstaunt, wie viel Fleisch Imke von Bornstaedt-Küpper (Ende November 2024 mit überwältigender Mehrheit als VBB-Bundesvorsitzende bestätigt) am Knochen notwendiger Veränderung gelassen hat. Bemerkenswert fanden wir folgende Forderungen in einer Presseerklärung des Verbandes kurz vor der Bundestagswahl (Auszug – Hervorhebung im Original):
Personal
• Die Kernaufgaben der Streitkräfte müssen anhand der Zusagen Deutschlands an die NATO priorisiert und ausgeplant werden.
• Die dysfunktionale Planstellenpyramide der Soldatinnen und Soldaten muss korrigiert werden:
Die Streitkräfte erleben einen massiven Kompetenzverlust, weil zu viele Soldatinnen und Soldaten nichtmilitärische Aufgaben wahrnehmen und nicht einsatzbereit sind.
•Der Personalbedarf muss nach anerkannten Methoden der Personalbedarfsermittlung festgestellt werden. Der „sogenannte“ bundeswehrgemeinsame Ansatz hat dazu geführt, dass mehr als 20.000 Soldatinnen und Soldaten in der Truppe fehlen.
• Der Dienst in der Truppe muss für Soldatinnen und Soldaten attraktiver sein als der Dienst im Stab/Amt. Die besonderen Altersgrenzen dürfen nur in der Truppe gelten.
• Das Potential der Reservistendienst Leistenden muss der Truppe und damit der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands vorbehalten bleiben. Wehrübungen auf zivilen Dienstposten, in zivilen Ämtern und im BMVg dienen diesem Zweck nicht.
• Der Planungs- und Führungsstab hat sich nicht bewährt. Mit Blick auf eine zwingende Ressourcenpriorisierung und Verschlankung des BMVg ist dieser ersatzlos zu streichen.
• Noch mehr Geld in schlechte Strukturen ist der falsche Weg: Neben einer nachhaltigen Finanzierung der Bundeswehr über die Jährlichkeit hinweg, müssen die Personal- und Organisationsstrukturen konsequenter angepasst werden.
Rüstung
• Es ist die Aufgabe des Generalinspekteurs, die Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben aufgrund der sicherheitspolitischen Bedrohungslage und aufgrund der der Bundeswehr durch die NATO zugewiesenen Fähigkeitsziele zu priorisieren. Dies sollte im Benehmen mit den Inspekteuren erfolgen. Stattdessen wurden einige nicht priorisierte Großprojekte aus Partikularinteressen durchgesetzt. Die Planung wurde damit ihrer Verantwortung nicht gerecht. Das muss sich ändern. Die militärische Beschaffung hat sich wieder strikt an einer sauber hergeleiteten Planung zu orientieren, damit die Bundesrepublik ein verlässlicher Partner ist.
• Das Planungsamt hat sich im Zuge der Zeitenwende weder hinsichtlich Innovationskraft noch hinsichtlich Geschwindigkeit bewährt. Es ist aufzulösen.
• Die militärische Leitung der Rüstungsabteilung und die Wahrnehmung des Rüstungsstaatssekretärs durch einen ehemaligen Soldaten haben sich mit Blick auf die materielle Einsatzbereitschaft nicht bewährt. Trotz gestiegener Haushaltsmittel hat sich das Fähigkeitsprofil nicht adäquat verbessert.
• Die europäische Koordinierung und Kooperation bei den Rüstungsvorhaben sind zu intensivieren. Im Lichte des Paradigmenwechsels bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2025 müssen die Fähigkeitsplanungen in einem europäischen Schulterschluss erfolgen.
• Der gesamte Beschaffungsprozess ist sicherheitsrelevant und von so hoher politischer Bedeutung, dass eine Privatisierung konsequent ausgeschlossen werden muss.
Organisation
• Keine militärische Leitung von zivilen Ämtern und von zivilen Abteilungen im BMVg.
• Reduzierung von Wechselstellen auf ein notwendiges Minimum und nur temporäre Wahrnehmung.
Nicht auszuschließen?
Der oder die nächste Verteidigungsminister/in ist gut beraten – in Kenntnis, dass der VBB ein Interessenverband ist –, die Forderungen sorgfältig zu lesen. Im Grunde stellt sich die Frage nach dem eigentlich politischen Kern eines Bundesministeriums und der Besonderheit eines militärischen Anteils an einem Verteidigungsministerium. Wir würden „Elemente einer Privatisierung“ beim Beschaffungsprozess nicht so „kategorisch“ ausschließen, wie es der Verband tut. Hier tun Flexibilität und Schnelligkeit der Prozesse Not!“
In der Ausgabe 11/25 wird der VBB wie folgt zitiert:
„Personal, Personal & Personal
Wir sind absolute Fans parlamentarischer Kontrolle und Transparenz und sehen daher dem jährlichen Bericht aus dem Büro der Wehrbeauftragten des Bundestages immer mit Spannung entgegen! Aus dem mittlerweile 66. Bericht für den Betrachtungszeitraum 2024 kann man auch dieses Jahr viel über den wahren Zustand der Bundeswehr und die Wirkung der bisher unternommenen politischen und administrativen Maßnahmen herauslesen (Auszug – Hervorhebungen griephan):
Personal
Das BMVg verfolgt schon länger das Ziel, bis 2031 die Personalstärke auf rund 203.000 aktive Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen. Gleichzeitig werden aufgrund von Zusagen gegenüber der NATO im Rahmen der neuen NATO-Fähigkeitsziele sowie für die Umsetzung des Operationsplans Deutschland mehr personelle Ressourcen gebraucht. All das erfordert aus Sicht des BMVgs eine kontinuierliche Neubewertung des militärischen Zielumfangs. Angesichts der in den vergangenen Jahren weitgehend erfolglosen Bemühungen der Bundeswehr, einen substanziellen Personalzuwachs zu realisieren, erfordert es eine umfassende und gemeinsame Kraftanstrengung, um den Gesamtumfang zu erreichen. Genügend und vollständig einsatzbereites Personal ist der Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit.
Die Lage
Nachdem auch 2023 die militärische Personalstärke weiter gesunken war, hat die Bundeswehr im Berichtsjahr die Anstrengungen hinsichtlich der Personalgewinnung und -bindung erheblich intensiviert. Im Fokus stand dabei vor allem der Ergebnisbericht vom Dezember 2023 der im August davor eingesetzten Task Force Personal. Deren Ziel war es, sofort umsetzbare und wirksame Maßnahmen zu identifizieren, um die negative Bestandsentwicklung des militärischen Personalkörpers bereits 2024 umzukehren und am Ende eines zwölfmonatigen Zeitraums einen moderaten Personalaufwuchs zu erreichen. Aus rund 200 Vorschlägen zur Verbesserung der Personalgewinnung und -bindung wurden 64 Maßnahmen ausgewählt und im Berichtsjahr umgesetzt.
Erfreulich ist, dass sich sowohl die Personalgewinnung als auch die Personalbindung im Laufe des Jahres 2024 positiv entwickelt haben. Das BMVG führt diese ersten Erfolge überwiegend auf die Maßnahmen der Task Force Personal zurück. Ob diese Entwicklungen mittelfristig zu einer tatsächlichen Steigerung der Personalstärke führen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls gelang es erst zum Ende des Berichtsjahres zumindest die negative Entwicklung der vergangenen Jahre zu stoppen und die Personalstärke knapp unter dem Vorjahresstand zu halten, nachdem der Personalbestand im September 2024 mit 179.317 Soldatinnen und Soldaten auf den niedrigsten Stand seit 2018 gesunken war.
[…] Darüber hinaus wird die Truppe immer älter. Das Durchschnittsalter des militärischen Personalkörpers hat sich über die letzten Jahre hinweg stetig erhöht und ist von 33,1 Jahren in 2021 über 33,8 Jahre in 2023 auf 34 Jahre im Berichtsjahr gestiegen. Neben dem demografischen Wandel ist diese Entwicklung auch auf den steigenden Anteil an Berufssoldatinnen und -soldaten zurückzuführen.
[…] Artikel 87b Grundgesetz bestimmt, dass die Bundeswehrverwaltung in bundeseigener – ziviler – Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird. Der historische Gesetzgeber verfolgte damit zwei Ziele: Die Entlastung der Streitkräfte von Verwaltungsaufgaben und die Verhinderung von Machtkonzentration beim Militär. Das sogenannte Trennungsgebot verlangt in organisatorischer, funktioneller und personeller Hinsicht eine Trennung von Bundeswehrverwaltung und Streitkräften. Soldatinnen und Soldaten sollen im Grundsatz in der Truppe verwendet werden und die Verwaltung soll zivilen Behörden anvertraut sein. Eine messerscharfe Trennlinie zwischen der zivilen Bundeswehrverwaltung und den Streitkräften ist jedoch nicht immer möglich und das Trennungsgebot kaum justiziabel. Immer mehr Soldatinnen und Soldaten werden immer häufiger mit administrativen Aufgaben betraut, die nicht in ihren originären Auftrags- und Aufgabenbereich fallen:
So kritisierte der Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr [VBB] im Berichtsjahr, dass zu viele Soldatinnen und Soldaten in Stäben sowie in militärischen und zivilen Ämtern tätig und daher nicht operativ tätig seien. Zum Teil seien sie über viele Jahre auf zivilen Dienstposten eingesetzt und übernähmen damit zivile Aufgaben. In der Folge stünden diese Soldatinnen und Soldaten für das militärische Kerngeschäft nicht zur Verfügung. Es sei nicht nachvollziehbar, dass hochqualifizierte Fachkräfte wie Hubschrauberpilotinnen und -piloten oder Ärztinnen und Ärzte Verwaltungsaufgaben übernähmen und in der Truppe fehlten.
Diese Praxis könnte eine Vergeudung der Personalressourcen bedeuten, weswegen die Wehrbeauftragte anregt, die entsprechenden Strukturen der Bundeswehr grundsätzlich zu betrachten und gegebenenfalls anzupassen.
Personalgewinnung
Um die strategische Zielvorgabe eines Personalbestands von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis 2031 zu erreichen, ist neben einem allgemeinen Personalzuwachs insbesondere auch die Kompensation der jährlich etwa 20.000 aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Soldateninnen und Soldaten notwendig. Seit Jahren sieht sich die Bundeswehr bei der Personalgewinnung erheblichen Herausforderungen gegenüber, die sich durch den demografischen Wandel und den Wettbewerb auf dem zivilen Arbeitsmarkt verstärken.
Trauerspiel
Seien wir ehrlich – dies ist explizit nicht als Vorwurf an die Personaler im Maschinenraum gemeint! – und verbannen die „strategische Zielvorgabe eines Personalbestands von 203.000“ Uniformierten zu den politischen Lebenslügen dieser Republik. Es ist mit diesem Apparat, in diesen Strukturen im Ministerium und den Streitkräften selbst und ganz besonders im Kontext dieser Demografie nicht zu schaffen! Es wurde an allen Stellschrauben im System gedreht, teilweise so stark, dass diese mangels abgetragenen Gewindes mittlerweile „durchdrehen“. Es bleibt die Erkenntnis, dass alle Möglichkeiten innerhalb der politischen Wohlfühlzone ausgereizt sind und jetzt etwas Neues her muss. In Anbetracht der Gesamtlage wäre dies sogar der beste Zeitpunkt, um Veränderung herbeizuführen. Was will Berlin?“
Der VBB stellt fest: der Kreis derjenigen, der erkennt, dass die Probleme der Bundeswehr nicht nur mit Geld gelöst werden können, wird größer.
Wenn die militärischen Personalressourcen weiterhin in großem Ausmaß verschwendet werden, wird die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nachhaltig gefährdet sein.