09. Februar 2021

Fahrrad und Dienst ist gleich Dienstfahrrad?

Alle reden vom Homeoffice, aber es gibt sie noch, die klassische Arbeitsstätte, zu der es regelmäßig morgens hin und abends zurück geht. Hier handelt es sich um den typischen Berufsverkehr, der mit politischer Unterstützung in neue Bahnen gelenkt werden soll.

Trend liegen das sogenannte Jobticket und das oft genannte JobRad, also Modelle, die ökologisches Verhalten ökonomisch belohnen wollen. Übrigens ist JobRad ein eingetragenes Markenzeichen, also ist Vorsicht bei der Nutzung dieses Begriffs angezeigt. Für die steuerliche Behandlung eines Dienstrades nutzt das Bundesfinanzministerium den Begriff betriebliches Fahrrad. Tatsächlich geht es um Dienstradleasing und Steuerersparnis, was allenthalben verheißungsvoll angepriesen wird.

Image-Gewinn durch Dienstfahrräder

„Gesund und Geleast“, so titelte die FAZ sowie „Nachhaltigkeit mit JobBike BW“ das Verkehrsministerium Baden-Württemberg. Radfahren ist Mobilität, Gesundheitsprogramm, gelebter Klimaschutz und Spaß in einem. Diese Überzeugung teilen immer mehr Menschen und nutzen das Fahrrad als ernsthaftes Transportmittel für den Alltag. Heute bieten mehr als 30.000 Firmen in ganz Deutschland JobRad an, vom kleinen Handwerksmeister bis zum Großkonzern. Mit Steuerersparnis einen Anreiz für die Nutzung des Fahrrades als Verkehrsmittel setzen, das hört sich gut an. So wurde nicht nur beim VBB mehrfach angefragt: Wann kommt das Bike-Leasing bei uns im öffentlichen Dienst? Das wäre doch eine zeitgemäße, attraktivitätssteigernde Maßnahme! Diensträder legal auch privat nutzen, besonders zur und von der Arbeitsstätte, das klingt einfach, ist es aber nicht.

Vom Dienstwagenleasing zum Dienstradleasing

JobRad, JobBike, Bike-Leasing, betriebliches Fahrrad, was ist damit gemeint? Steuerlich sind Dienstwagen seit den 1990er Jahren durch die sogenannte 1 %-Regel privilegiert. An Dienstfahrräder hatte damals noch niemand gedacht. Seit 2012 werden Diensträder und Dienstwagen steuerlich gleichbehandelt. Die betriebliche Überlassung vom Fahrrad oder E-Bike als Dienstrad basiert auf gleichlautenden Erlassen der Landesfinanzministerien, in denen das so genannte Dienstwagenprivileg auf Fahrräder und Pedelecs ausgeweitet wird. Das Jahr 2019 brachte das steuerfreie, arbeitgeberfinanzierte Dienstrad und die 0,5 %-Regel für das Dienstradleasing per Gehaltsumwandlung. Das Dienstrad als Gehaltsextra ist seit 2019 komplett steuerfrei.

Das betriebliche Fahrrad per Gehaltsumwandlung wird seit dem 1. Januar 2020 nur noch mit 0,25 % der unverbindlichen Preisempfehlung versteuert. Für Arbeitnehmer wird Dienstradleasing noch attraktiver, denn das Dienstrad darf auch privat genutzt werden und die Arbeitnehmer bedienen die Monatsraten aus dem Bruttolohn (sogenannte Barlohnumwandlung). Durch diese Regel sparen die Arbeitnehmer im Vergleich zum klassischen Kauf bis zu 40 % – und deutlich mehr, wenn der Arbeitgeber das Dienstrad bezuschusst. Den unvermeidlichen administrativen Aufwand übernehmen stark expandierende Leasing-Firmen, das ist eine bequeme Lösung für die betroffenen Arbeitgeber!

Dienstradleasing – Einfache Idee in komplizierter Welt?

Im Einigungspapier zur Tarifverhandlung die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen findet sich im exklusiv für Kommunen geltenden Abschnitt unter der Überschrift „Attraktivität des öffentlichen Dienstes“ der Passus, dass Bestandteile des Entgelts zu Zwecken des Leasings von Fahrrädern einzelvertraglich umgewandelt werden können. Die kommunalen Arbeitgeber wollten das, so war an anderer Stelle zu lesen, nicht die Gewerkschaften! Weiter erstaunlich ist die Tatsache, dass eine wirkungsgleiche Formulierung für die Beamten und Tarifbeschäftigten des Bundes zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorliegt. Aus dem Kreis der Fachgewerkschaften sind zwar Rufe nach einer beschäftigtenfreundlichen Lösung vernehmbar, aber der dbb beamtenbund und tarifunion sieht das anderenorts populäre Dienstradleasing eher kritisch. Dafür gibt es allerdings gute Gründe.

Die Modernisierung des Beamten- und Besoldungsrechts ist ein Daueranliegen des dbb

Allerdings müssen gerade dabei die tragenden Grundsätze des Berufsbeamtentums immer beachtet werden. So gibt es im Beamtenverhältnis keinen „Arbeitgeber“ und kein „kein Geld gegen Arbeit“. Das Berufsbeamtentum ist ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis, bei dem der Dienstherr dem Beamten Alimentation schuldet – und es geht systematisch und rechtlich nicht um die Frage „Leasing über den Arbeitgeber“ oder „Entgeltumwandlung“. Nach dem strengen Gesetzesvorbehalt, der für alle Besoldungsleistungen für Beamtinnen und Beamte in der Bundesrepublik Deutschland gilt, bedarf es einer rechtlich zulässigen eigenständigen gesetzlichen Grundlage, die es ermöglicht, dass bestimmte zur Besoldung gehörende Bezügebestandteile dem Beamten/der Beamtin zugänglich gemacht werden.

Zu der Frage eines Zuschusses des Dienstherrn in Form von Besoldung für bestimmte Fortbewegungsmittel gibt es bereits Regelungen in einigen Bundesländern. Nachfolgend z. B. aus der Regelung des Landes Baden-Württemberg, wo es für diese Art von Mobilität eine Bestimmung gibt. Dort findet sich in § 3 Abs. 3 LBesG BW in Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Alimentationsprinzips der allgemeine Besoldungsgrundsatz, dass kein Beamter auf die ihm gesetzlich zustehende Besoldung ganz oder teilweise verzichten kann. Dies ist aus Alimentationsgesichtspunkten zwingend und kann nicht abgeändert werden. Deshalb ist dort in Satz 2 ausdrücklich eine Öffnung vorgesehen: „im Rahmen einer Entgeltumwandlung zum Aufbau einer privaten Altersversorgung und Leistung im Rahmen einer Entgeltumwandlung für vom Dienstherrn geleaste Dienstfahrräder, die dem Beamten und Richter auch zur privaten Nutzung überlassen werden, wenn es sich um Fahrräder im verkehrsrechtlichen Sinne handelt“. Auf diesem Wege wird ein „Leasing für Dienstfahrräder, die zum privaten Gebrauch sind“, eröffnet. Hamburg hat aktuell eine ähnlich lautende Regelung getroffen. Im Bundesbereich ist dieses Anliegen nicht gesetzgeberisch aufgenommen. Der dbb ist im Rahmen seiner Möglichkeiten dabei, „diesen Modernisierungsaspekt der Besoldung“ zu verfolgen.

Im Tarifbereich sieht es bei genauer Betrachtung ebenfalls nicht rosig aus. Auf kommunaler Ebene gibt es Ärger für öffentliche Arbeitgeber, wenn Entgelt tarifrechtswidrig umgewandelt wurde, ohne an die Sozialversicherung zu denken. Wie ist die Lage bei unserem Partner der dbb Tarifunion, die bekanntlich aus dbb und ver.di besteht?

Radleasing über den Arbeitgeber boomt – ver.di hat was dagegen

Mit dieser Überschrift beginnt in der ZEIT ein Artikel über das Dienstfahrrad, und die Autorin legt direkt nach: „im öffentlichen Dienst stellt ver.di sich quer.“ Tatsächlich lehnt ver.di das Dienstradleasing als Lohnumwandlung ab, nicht zuletzt, weil kein Einfallstor für weitere Entgeltumwandlungen geschaffen werden soll. Was in der gewerblichen Wirtschaft einfach erscheint, bringt im Bereich des Tarifrechts offensichtlich deutliche Nachteile mit sich. Die Leasingraten gehen an der Sozialversicherung vorbei, was die zu erwartende Rente vermindert. Eine Gehaltskürzung zugunsten der Leasingrate, die vertraglich zu vereinbaren wäre, bedeutet faktisch der Verzicht auf die korrekte Eingruppierung. Zusammenfassend hält ver.di fest, dass Angehörige des öffentlichen Dienstes in der Regel draufzahlen. Was sagen unsere dbb-Tarifexperten?

dbb: Entgeltumwandlung zum Erwerb eines Jobrades ist nicht empfehlenswert

Auch der dbb beamtenbund und tarifunion kommt nach faktenbasierter Analyse zum Schluss, dass die Entgeltumwandlung für E-Bikes und Jobräder finanziell keine gute Idee ist, wie auf der dbb-Homepage mit weiterführenden Informationen überzeugend dargestellt wird. An der Stelle sei hinzugefügt, dass auch der Verwaltungsaufwand für den Dienstherrn betrachtet werden muss.

Das betriebliche Fahrrad im öffentlichen Dienst kämpft mit starkem Gegenwind

Das Fahrradleasingmodell der gewerblichen Wirtschaft lässt sich nicht so ohne Weiteres auf den öffentlichen Dienst übertragen, das haben wir gelernt. Wir wissen aber auch, dass viele Wege nach Rom führen, will sagen, der bisherige Weg zum betrieblichen Fahrrad ist nicht alternativlos! Ein moderner öffentlicher Dienst sollte seiner umweltpolitischen Vorbildfunktion gerecht werden und seinen Beschäftigten den Weg zum Fahrradfahren erleichtern. Arbeitgeber, die sich um die Gesundheit der Mitarbeiter kümmern, liegen sowieso im Trend. Natürlich geht es auch ohne Jobrad und dergleichen, aber dann agieren wir auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr auf Augenhöhe, sind nicht attraktiv für potenzielle Bewerber, die wir dringend benötigen. Der dbb beamtenbund und tarifunion wird jedoch kein Modell befürworten, das letztlich zu Lasten der Beschäftigten geht. Dahingehend es ist sehr zu begrüßen, wenn die unaufhaltsame Entwicklung in diesem Bereich konstruktiv kritisch begleitet wird.

JobBike BW radelt los: Baden-Württemberg.de

Kehren wir zurück zum oben angesprochenen Modell Baden-Württemberg. Laut eines von der Landesregierung Baden-Württemberg beauftragten Gutachtens ist das Radleasing nicht so attraktiv wie in der gewerblichen Wirtschaft. Ohne Versicherungs- und Wartungsvertrag ist der Barkauf für alle Besoldungsgruppen günstiger. Somit lohnt es sich für Beamte nur dann, wenn das Land Baden-Württemberg Kosten übernimmt, jedoch will die Landesregierung eine haushaltsneutrale Lösung.

Dennoch hat es die schwarz-grüne Landesregierung geschafft, ab 20. Oktober 2020 den rund 170.000 Landesbediensteten die Möglichkeit zu bieten, „ihren Arbeitsweg auf einem Leasingrad zurückzulegen und damit einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten.“ Mit dem JobBike BW können Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter zu günstigen Konditionen ein Fahrrad überlassen bekommen. Ob das Angebot wirtschaftlich attraktiv ist, kann online individuell berechnet werden. Abgewickelt wird das Leasing-Angebot vom in der Branche bekannten Freiburger Dienstleister JobRad. Seither haben schon über 2500 Beamte von JobBike BW profitiert, trotz des Winters. Ein beachtlicher, wegweisender Erfolg so kurz von den Landtagswahlen im Musterländle Baden-Württemberg, auch wenn die Tarifbeschäftigten des Landes aufgrund fehlender Grundlagen im Tarifrecht nicht partizipieren dürfen.

Für die gibt es Hoffnung, denn im heutigen Land Baden-Württemberg wurden Auto und Fahrrad erfunden, also schon früh Pionierarbeit zur Mobilität geleistet. Diese Erfolgsgeschichte will fortgeführt werden. Die Landesregierung ist jedenfalls stolz auf das Erreichte: „Baden-Württemberg setzt damit im behördlichen Mobilitäts- und Gesundheitsmanagement Maßstäbe.“

Ein Beispiel für den Bund?

Für den Dienstherrn Bund und die Gewerkschaften bietet sich damit die einzigartige Gelegenheit, die weitere Entwicklung des Pilotprojekts JobBike BW in der Praxis zu verfolgen und die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Damit wird klar, dass das „betriebliche Dienstrad“ seit einigen Monaten wieder mächtig Fahrt aufgenommen hat, raus aus der rechtlichen Sackgasse. Abzuwarten bleibt, ob der Bund auf dieses Fahrrad-Leasing aufspringt, solange unklar ist, wohin der Bund als Dienstherr bzw. Arbeitgeber eigentlich will und welcher Aufwand zu betreiben ist.

Die Bundeswehr: Fit auf Dienst-Bikes im Flecktarn?

Die Abhandlung zeigt, dass der Weg voller Herausforderungen ist, aber ein gangbarer Weg sein kann, wie uns das Land Baden-Württemberg zeigt. Mit anderen Gewerkschaften und Verbänden setzt sich der VBB dafür ein, dass eine systemkonforme (!) Lösung gefunden wird, die attraktiv für alle die Beschäftigten ist, die Interesse an einem betrieblichen Fahrrad haben. Es muss nicht zwingend Leasing sein, eine andere funktionale Lösung wäre ebenfalls willkommen, allein das Ergebnis zählt.

Nicht wünschenswert ist eine Lösung, die nach Statusgruppen unterscheidet, wie derzeit in Baden-Württemberg. Wenn es jedoch gelänge, den gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Rahmen auf Bundesebene zu setzen, hätten die jeweiligen Ministerien die Möglichkeit, werbewirksame Maßnahmen für Ihre Ressorts zu schaffen. Fahrradfahren ist ein kleiner, aber sehr positiv belegter Beitrag zum Umweltschutz. Wenn es politisch ernsthaft gewollt ist, wird sich rasch eine unkonventionelle Lösung finden, ähnlich wie bei freien Bahnfahrten für Soldaten in Uniform. Ist der Zug für das Dienstrad auf Bundesebene vorerst abgefahren? Rechtzeitig vor den Bundestagswahlen könnte man doch was Gutes tun für die Menschen in der Bundeswehr. Bundeswehr und Umweltschutz, das gehört zusammen, seit vielen Jahren! Gehen wir den nächsten Schritt?