30. Juni 2023

Fachinformation

Personalgestellung nicht von Leiharbeitsrichtlinie erfasst - keine Veränderungen für den öffentlichen Arbeitgeber

Am 22.06.2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Az. C 427/21) entschieden, dass die Personalgestellung zu Dritten gem. § 4 Abs. 3 TVöD nicht in den Anwendungsbereich der europäischen Richtlinie zu Leiharbeit (2008/104/EG) fällt.

Nach Art. 1 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie gilt diese für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und den entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten.

Personalgestellung bedeutet, dass zwischen dem bisherigen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht, letzterer jedoch der Weisungsbefugnis des Drittunternehmens unterliegt. Da das BAG nicht ausschließen konnte, dass dieses Arbeitsverhältnis unter der "Aufsicht" und "Leitung" des Drittunternehmens im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie durchgeführt wird, leitete es ein Vorabentscheidungsersuchen ein.

Da eine Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD jedoch aufgrund ihrer Besonderheiten und dem mit ihr verfolgten Ziel erheblich von dem Leitbild der Leiharbeit der europäischen Richtlinie abweicht, sah das BAG die Personalgestellung nicht als vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst an.

Gleichzeitig legte das BAG dem EuGH mit Vorlagebeschluss vom 16. Juni 2021 (6 AZR 390/20) zwei Fragen vor:

  1. Ist die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie zu beurteilen?
  2. Sollt dies der Fall sein, stellt sich die Frage: Lässt Leiharbeitsrichtlinie eine Bereichsausnahme für die Personalgestellung im öffentlichen Dienst zu?

Der EuGH stimmt dem BAG im Ergebnis zu. Damit ein Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie falle, müsse ein Arbeitgeber sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrags als auch bei jeder tatsächlich vorgenommenen Überlassung die Absicht haben, den betreffenden Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen vorübergehend zur Verfügung zu stellen.

Dies war im vorliegenden Fall weder beim ursprünglichen Abschluss des Arbeitsvertrages noch bei der Ausgliederung selbst der Fall. Das Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber bestand nur deshalb fort, weil der Arbeitnehmer von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hat.

Die Leiharbeitsrichtlinie beziehe sich ausschließlich auf vorübergehende Arbeitsverhältnisse, Übergangsarbeitsverhältnisse oder zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse und nicht auf Dauerarbeitsverhältnisse wie im vorliegenden Fall. Die mit der Leiharbeitsrichtlinie verfolgten Ziele der Flexibilität der Unternehmen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze oder der Förderung des Zugangs der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung seien für Dauerarbeitsverhältnisse nicht relevant. Zudem bedürfe ein dem Betriebsübergang widersprechender Arbeitnehmer auch nicht den in der Leiharbeitsrichtlinie vorgesehenen Schutzmechanismen. Auf die zweite Vorlagefrage des BAG, der Europarechtskonformität des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG, kam es somit nicht mehr an.

Damit wird sich für öffentliche Arbeitgeber zukünftig nichts ändern. Öffentliche Arbeitgeber können weiterhin auf der Basis des § 4 Abs. 3 TVöD im Falle einer Aufgabenverlagerung die Verrichtung der Tätigkeit bei einem Dritten anordnen.