09. Januar 2025

Warum jede Dienststelle einen Anwalt des Teufels benötigt

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einer Besprechung. Ideen fliegen durch den Raum, jeder nickt zustimmend, und es scheint, als ob man sich schnell auf einen Konsens einigen könnte. Doch bevor Sie die Entscheidung besiegeln, erhebt jemand die Hand und sagt: „Aber was, wenn das nicht funktioniert? Was wäre, wenn wir das von einer anderen Seite betrachten?“ Willkommen, der Anwalt des Teufels hat das Wort ergriffen.

 

Der "Advocatus Diaboli" (oder auf Deutsch: der "Anwalt des Teufels") ist eine Rolle, die ursprünglich aus der katholischen Kirche stammt. Historisch gesehen wurde diese Position geschaffen, um bei der Heiligsprechung eines Kandidaten Zweifel zu säen und Argumente gegen dessen Heiligkeit zu prüfen. Ziel war es, den Prozess rigoroser und glaubwürdiger zu machen, indem jede mögliche Schwachstelle offengelegt wurde.

Die historische Wurzel des Advocatus Diaboli

Der Begriff „Advocatus Diaboli“ stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde erstmals offiziell von Papst Sixtus V. im Jahr 1587 institutionalisiert. Der Amtsträger, oft ein gut ausgebildeter Kirchenjurist, sollte die Gegenargumente gegen die Heiligsprechung eines Kandidaten vorbringen, um die Echtheit und den Wert der vorgeschlagenen Wunder und Tugenden zu prüfen. Durch diesen kritischen Blick wurde sichergestellt, dass nur diejenigen, die wirklich außergewöhnlich waren, heiliggesprochen wurden.

In der damaligen Zeit war es eine ernsthafte und oft gefürchtete Rolle, denn der Advocatus Diaboli musste den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen und populäre Ansichten infrage zu stellen. Seine Aufgabe war es, die Beweise für die Heiligkeit des Kandidaten zu zerpflücken und jede erdenkliche Schwachstelle aufzudecken. Ein Scheitern in dieser Rolle bedeutete, dass jemand möglicherweise zu Unrecht heiliggesprochen wurde – eine schwerwiegende Fehlentscheidung in der katholischen Kirche.

Der Anwalt des Teufels in der modernen Arbeitswelt

Heutzutage ist der Anwalt des Teufels eine unentbehrliche Rolle in jeder Organisation, die Innovation, Effizienz und Effektivität anstrebt. Indem er die vorherrschende Meinung herausfordert, hilft er, blinde Flecken zu erkennen, Risiken zu bewerten und sicherzustellen, dass Entscheidungen auf einer soliden Grundlage getroffen werden. In einer Zeit, in der Gruppendenken und Konformität oft dominieren, ist diese kritische Stimme von unschätzbarem Wert.

Warum brauchen wir einen Anwalt des Teufels?

1. **Fördert kritisches Denken**: In einer Welt, die von Gruppendenken und Konformität geprägt ist, hilft der Anwalt des Teufels, eine Kultur des kritischen Denkens zu fördern. Er ermutigt dazu, Annahmen zu hinterfragen und alternative Perspektiven zu berücksichtigen.

2. **Vermeidet kostspielige Fehler**: Durch das Aufdecken potenzieller Schwachstellen und Risiken können Organisationen kostspielige Fehler vermeiden. Der Anwalt des Teufels hilft, realistische Szenarien durchzuspielen und die Tragfähigkeit von Plänen zu testen.

3. **Erhöht die Entscheidungsqualität**: Indem er sicherstellt, dass alle Aspekte einer Entscheidung gründlich geprüft werden, trägt der Anwalt des Teufels zur Qualität der getroffenen Entscheidungen bei. Dies führt zu besseren Ergebnissen und langfristigem Erfolg.

4. **Fördert Innovation**: Innovation entsteht oft durch das Infragestellen des Status quo. Der Anwalt des Teufels kann dabei helfen, neue Wege zu denken und innovative Lösungen zu finden, indem er bestehende Annahmen und Prozesse hinterfragt.

5. **Schafft Vertrauen in Entscheidungen**: Wenn Entscheidungen nach eingehender Prüfung und kritischer Hinterfragung getroffen werden, entsteht ein größeres Vertrauen in deren Richtigkeit. Mitarbeiter und Stakeholder sind eher bereit, Entscheidungen zu unterstützen, die umfassend geprüft und gerechtfertigt sind.

Wie setzt man einen Anwalt des Teufels im Alltag ein?

1. **Rollenverteilung in Meetings**: Weisen Sie in jeder Besprechung jemandem die Rolle des Anwalts des Teufels zu. Diese Person sollte nicht nur kritische Fragen stellen, sondern auch mögliche Gegenargumente präsentieren und alternative Lösungen vorschlagen.

2. **Kultur der Offenheit schaffen**: Ermutigen Sie eine Kultur, in der kritische Fragen und abweichende Meinungen geschätzt werden. Dies fördert eine Umgebung, in der sich Mitarbeiter sicher fühlen, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen.

3. **Rotierende Rolle**: Um sicherzustellen, dass der Anwalt des Teufels immer unvoreingenommen bleibt, sollte diese Rolle rotieren. So wird verhindert, dass eine Person ständig als der „Störenfried“ wahrgenommen wird.

4. **Formalisierte Prozesse einführen**: Integrieren Sie formalisierte Prozesse in Ihre Entscheidungsfindung, die sicherstellen, dass der Anwalt des Teufels gehört wird. Dies könnte in Form von Checklisten, standardisierten Fragen oder speziellen Review-Sitzungen geschehen.

Praktische Tipps für den Alltag

- **Stellen Sie Fragen wie „Was wäre, wenn…?“**: Diese einfache Technik kann Wunder wirken. Indem man verschiedene Szenarien durchspielt, können potenzielle Probleme und Risiken identifiziert werden.

- **Ermutigen Sie zum Perspektivwechsel**: Bitten Sie Teammitglieder, sich in die Lage von anderen (z.B. Stakeholdern) zu versetzen und deren Perspektiven zu vertreten.

- **Dokumentation und Nachverfolgung**: Halten Sie die Einwände und Gegenargumente des Anwalts des Teufels schriftlich fest und verfolgen Sie deren Auswirkungen auf die endgültige Entscheidung. Dies erhöht die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozesses.

Schlussgedanken

Der Anwalt des Teufels ist mehr als nur ein Spielverderber. Er ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer gesunden und produktiven Entscheidungsfindungskultur. Indem er hilft, Risiken zu minimieren und Chancen zu maximieren, trägt er dazu bei, dass Ihre Organisation robust und zukunftssicher bleibt. Also, das nächste Mal, wenn Sie in einer Besprechung sitzen und alle einer Meinung zu sein scheinen, denken Sie daran: Ein Anwalt des Teufels könnte genau das sein, was Sie brauchen, um Ihre besten Entscheidungen zu treffen. Schaffen Sie eine Kultur, in der dieser kritische Blick willkommen ist, und Sie werden erstaunt sein, wie viel stärker und innovativer Ihre Organisation wird.